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Die Bundesversammlung bei der Wahl von Präsident Wulff 2010.

© dapd

Bundesversammlung: In 30 Tagen muss ein neuer Präsident gewählt werden

Nach dem Rücktritt von Bundespräsident Wulff müssen sich die Parteien schnell auf einen Nachfolger einigen - innerhalb von 30 Tagen. Wahrscheinlicher Termin für die Wahl durch die Bundesversammlung ist der 18. März.

Von Antje Sirleschtov

Parlamentariern des Bundestages und der Länderparlamente sei geraten, sich Sonntag, den 18. März schon mal rot im Kalender anzustreichen. Da Christian Wulff sich an diesem Freitag zum Rücktritt entschlossen hat, muss Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die 15. Bundesversammlung einberufen. Nach dem Grundgesetz hat er dazu „bei vorzeitiger Beendigung der Amtszeit“ nur ganze 30 Tage Zeit.

Für die schwarz-gelbe Koalition und ihre Kanzlerin, Angela Merkel (CDU), werden das 30 ungemütliche Tage werden. Denn es gilt, einen neuen Präsidentschaftskandidaten zu finden. Und zwar, ohne die Regierung zu zerbrechen. Mathematisch gesehen ist die Sache knifflig. Von diesmal 1240 Sitzen in der Bundesversammlung hätte Schwarz-Gelb 622 bis 624, also nur eine hauchdünne Mehrheit. Die Linke (SPD, Grüne und Linkspartei) käme zusammen auf 600 bis 602 Sitze. Von den 16 „Sonstigen“ wären zehn Freie Wähler aus Bayern, drei NPD-Leute, zwei Piraten und einer vom SSW, der Partei der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein. Die Wahrscheinlichkeit also, dass Merkel einen schwarz-gelben Kandidaten im ersten oder zweiten Wahlgang durchbekommt, ist gering. Dass sie diesen Weg dennoch wagt, ist aber nicht ausgeschlossen. Die Liberalen bitten darum. Noch am Donnerstagabend hieß es in der Führung, man „warne davor, auf den ersten oder zweiten Wahlgang zu setzen“. Schwarz- Gelb sei in der Lage, einen „achtbaren eigenen Kandidaten“ im dritten Wahlgang zu wählen. Was dahinter steckt, ist klar: schlotternde Knie des Zweipunkt-Zwerges.

Viel eher denkbar ist, dass Merkel in Anbetracht der außergewöhnliche Lage – zwei Präsidenten in zwei Jahren – alle politischen Kräfte zu einer parteiübergreifenden Lösung ruft. In ihrer Erklärung nach dem Rücktritt Wulffs hat Merkel bereits angekündigt, einen Kompromiss mit Grünen und Sozialdemokraten zu suchen. Der Euro ist gefährdet, Europa muss gestärkt werden, Merkel steht in den Umfragen glänzend da. Wer wollte sich einem solchen Ruf widersetzen? Zumal SPD-Chef Sigmar Gabriel eine das schon einmal angeboten hatte. Wer könnten Kandidaten sein? Verteidigungsminister Thomas de Maizière käme in Frage, auch SPD-Fraktionschef

Frank-Walter Steinmeier. Beide genießen parteiübergreifend Respekt. Der Sozialdemokrat Steinmeier hätte, ganz nebenbei, sogar für die FDP einen gewissen Charme. Ihn zu wählen könnte längst verschüttete sozialliberale Farbenspiele wieder ins Rampenlicht rücken.

Bleibt die Frage nach Joachim Gauck, dem „Kandidaten der Herzen“ von 2010. Als rot-grüner Kandidat würde er wohl selbst nicht noch einmal ins Rennen gehen wollen. Ein solcher Schritt wäre nur vorstellbar, wenn Merkel ihn bittet. Am Montag erscheint Gaucks Denkschrift „Freiheit heißt Verantwortung“, für die FDP wäre er ohne Gesichtsverlust wählbar. Auch SPD und Grüne stünden, trotz einiger Unstimmigkeiten in der Bewertung der Finanzkrise, hinter ihm. Merkel müsste nur das Kunststück fertigbringen, ihrer eigenen Partei (in der viele Gauck schätzen) das Gefühl zu nehmen, vor zwei Jahren den falschen Präsidenten gewählt zu haben.

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