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Bundeswehr-Einsatz: Abgeordnete warnen vor Misstrauen gegenüber Afghanen

Das Partnering-Konzept der Bundeswehr soll nach dem Tod von drei Soldaten beibehalten werden. Kritik gibt es an der Vorbereitung für den Einsatz.

Von Michael Schmidt

Berlin - Nach dem Angriff auf die Bundeswehr in der afghanischen Unruheprovinz Baghlan, bei dem drei deutsche Soldaten ums Leben kamen, hat die deutsche Politik mehrheitlich ihren Rückhalt für den Einsatz am Hindukusch bekräftigt und das Konzept des Partnering verteidigt, bei dem internationale Soldaten afghanische Kameraden bei laufenden Operationen ausbilden. Am Freitag hatte ein Soldat der afghanischen Nationalarmee im deutschen Feldlager um sich geschossen. Zwei Soldaten – ein 22-jähriger Stabsgefreiter und ein 30 Jahre alter Hauptfeldwebel – starben sofort, ein dritter erlag wenig später seinen schweren Verletzungen. Zwei weitere Soldaten schweben immer noch in Lebensgefahr. Der afghanische Soldat, der von deutschen Soldaten ausgebildet worden war, wurde bei einem anschließenden Schusswechsel getötet. Die Bundeswehrsoldaten waren mit Wartungsarbeiten an einem Schützenpanzer beschäftigt, als der afghanische Soldat von hinten auf die Gruppe schoss. Die genauen Hintergründe sind noch unklar.

Die Bundesregierung will an der Zusammenarbeit mit der afghanischen Armee festhalten. Verteidigungsminister Karl- Theodor zu Guttenberg (CSU) warnte davor, das Modell infrage zu stellen. Wer dies tue, spiele dem Gegner in die Hände. „Allerdings birgt dieses Miteinander auch Risiken“, sagte der Minister.

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Elke Hoff erklärte, die US-Oberkommandierenden in Afghanistan, General Stanley McChrystal und General David Petraeus, hätten von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, dass das Konzept gefährlich sei und mehr eigene Opfer bedeuten könne. Dennoch sehe sie „leider keine Alternative“ zur Zusammenarbeit mit den Afghanen. Allerdings frage sie sich, ob die deutschen Soldaten „wirklich ausreichend auf das Partnering vorbereitet werden, nicht, was das Militärische angeht, sondern mit Blick auf die unabdingbaren interkulturellen Fähigkeiten.“ Da prallten im Einsatz völlig verschiedene Kulturen ungeschützt aufeinander. Unbekannte Empfindlichkeiten, Gewohnheiten, Drogen-, Loyalitäts- und Disziplinfragen führten zu Spannungen, die zuweilen in Aggressionen aufbrächen und Vorgesetzte vor massive Schwierigkeiten stellen könnten. „Das ist unsere Aufgabe: Im Interesse unserer Soldaten etwaige Schwachstellen bei der Ausbildung zu erkennen und sofort zu beseitigen“, sagte Hoff.

Rainer Arnold, SPD-Verteidigungsexperte, mahnte, man könne jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, warnte aber vor einem generellen Misstrauen der deutschen Ausbilder gegenüber ihren afghanischen Rekruten. Der „ohnehin schmale Grat zwischen Vertrauen und Vorsicht, auf dem unsere Soldaten wandeln“, werde nun allerdings noch schmaler, sagte der SPD-Politiker. Er machte sich dafür stark, dass „möglichst viele Informationen von Geheimdiensten und anderen Stellen über die Menschen eingeholt werden , mit denen es die Soldaten zu tun haben.“ Omid Nouripour, Verteidigungsexperte der Grünen, betonte, „wenn wir so schnell wie möglich raus wollen aus Afghanistan, müssen wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Afghanen ihre Sicherheit in eigene Hände nehmen können – dazu gehört eine möglichst enge Zusammenarbeit, und zwar auch in der Fläche, draußen, außerhalb des Lagers.“ Denn: Den Umgang mit der Waffe könne man auch innerhalb der Campmauern erlernen – was den afghanischen Partnern aber vor allem fehle, sei Routine im Umgang mit geplanten und organsisierten Operationen. Umso wichtiger sei es, diese in der Praxis zu üben. Das Konzept des Partnering sei richtig, aber in seiner konkreten Ausgestaltung „nicht sakrosankt“, es müsse neuen Gegebenheiten angepasst werden können. Nouripour sagte, er sehe jetzt allerdings vor allem die afghanische Seite am Zug: „Die deutschen Soldaten sind verunsichert, die afghanische Armee hat jetzt eine Bringschuld: Sie muss überlegen, wie das Vertrauen wieder hergestellt werden kann.“

In der Vergangenheit hatte es immer wieder Klagen deutscher Soldaten über die „Unzuverlässigkeit“ der afghanischen Kameraden gegeben: Sie gälten als unpünktlich, erschienen alkoholisiert, bekifft, oder manchmal auch gar nicht zu verabredeten Operationen. Ihre Ausbildung erweise sich als schwierig, weil die meisten weder Lesen noch Schreiben könnten, hieß es immer wieder.

Das afghanische Präsident Hamid Karsai kündigte die Einsetzung einer hochrangigen Delegation zur Untersuchung der Vorfälle vom Freitag an. Karsai drückte in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel sein Bedauern über den Tod der deutschen Soldaten aus, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Samstag in Berlin mit. Karsai habe betont, dass die Bundeswehrsoldaten beliebt seien und die Zusammenarbeit der Streitkräfte sehr harmonisch verlaufe, sagte Seibert. Zwei Schwerverletzte sollten am Sonntag mit einem Spezialflugzeug nach Deutschland geflogen werden. Die drei Soldaten, die bei dem Anschlag getötet wurden, werden nach Angaben der Bundeswehr voraussichtlich am Montag nach Deutschland gebracht. Zuvor soll eine Trauerfeier im Einsatzgebiet stattfinden.

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