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Bundeswehr: Gibt es weitere Folgen des Luftangriffs?

Franz Josef Jung ist abgetreten. Die Affäre ist damit aber nicht beendet. Welche Folgen könnte es noch geben?

Für Franz Josef Jung, Verteidigungs- und Arbeitsminister a. D., ist der Fall Kundus erledigt. Zumindest für ihn persönlich. Politisch, juristisch bleiben dagegen noch viele Aspekte, die es zu klären und aufzuarbeiten gilt.

Was bedeutet das alles für Oberst Georg Klein, der den Luftangriff angeordnet hat?

Oberst Klein, der als damaliger Chef des deutschen Feldlagers in Kundus den Luftangriff auf die beiden entführten Tanklastwagen befehligte, muss unter Umständen mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. Derzeit prüft die Bundesanwaltschaft, ob Ermittlungen gegen den Oberst eingeleitet werden müssen. Neben dem strafrechtlichen Aspekt könnten zudem auch zivilrechtliche Forderungen von Angehörigen der afghanischen Opfer des Luftangriffs auf Georg Klein zukommen. Dutzende von ihnen wollen den Bundeswehroffizier möglicherweise vor einem deutschen Zivilgericht auf Schadenersatz wegen fehlerhaftem und grob fahrlässigem Verhalten verklagen.

Oberst Klein befindet sich laut „Bild“-Zeitung derzeit im Urlaub. Danach soll er als Chef des Stabes an seinen bisherigen Arbeitsplatz bei der 13. Panzergrenadierdivision in Leipzig zurückkehren. Klein war nach dem Vorfall nahe Kundus turnusgemäß als Kommandeur des Feldlagers Kundus abgelöst worden und nach Deutschland zurückgekehrt. Dass Klein nun mit juristischen Konsequenzen rechnen muss, liegt auch an Informationen von Feldjägern der Bundeswehr, die schon sehr früh nach dem Vorfall von zivilen Opfern berichteten. Diese Berichte führten nun auch zum Rücktritt von Franz Josef Jung.

Was sind Feldjäger und was machen die?

Die Feldjäger sind die Polizei der Bundeswehr. Sie prüfen, ob die Vorschriften der Bundeswehr von den Soldaten eingehalten werden. So führen die Feldjäger, von denen es in Deutschland derzeit rund 5000 gibt, beispielsweise Verkehrskontrollen an Militärstützpunkten und Zufahrtswegen durch. Auch treten sie als Personenschützer für hochrangige Militärs wie den Generalinspekteur in Aktion. Einige Feldjäger verfügen außerdem über eine Sonderausbildung zum „Erheber und Ermittler“: Bei mutmaßlichen Straftaten innerhalb der deutschen Streitkräfte sichern sie Spuren und ermitteln an Tatorten – quasi als verlängerter Arm der Staatsanwaltschaften.

Auch bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr sind die Feldjäger vertreten. Derzeit sind nach Auskunft der Streitkräftebasis weltweit rund 250 deutsche Feldjäger im Einsatz. So sind die „Polizeisoldaten“ beispielsweise mit an Bord, wenn deutsche Fregatten am Horn von Afrika die Seewege vor Piratenübergriffen schützen. Beim Einsatz in Afghanistan verfügt jeder deutsche Militärstützpunkt über ein eigenes Feldjägerkontingent. Das größte davon, rund 50 Soldaten, ist im Feldlager Masar-i-Sharif stationiert, rund 30 im Feldlager Kundus.

Auch in Afghanistan überwachen die Feldjäger die Einhaltung militärischer Vorschriften und ermitteln – etwa wenn sich ein Selbstmordattentäter in die Luft sprengt und dabei deutsche Soldaten verletzt oder getötet werden. In einem solchen Fall sichert ein Feldjägerteam – in der Regel sind das zwei bis drei Soldaten – vor Ort Beweismittel und rekonstruiert minutiös, was sich ereignet hat und wer wie beteiligt war. Ein Befehl ist dafür nicht nötig. Die Feldjäger ermitteln von Amts wegen, wenn deutsche Soldaten in ein Geschehen involviert sind. Die deutschen Feldjäger, die am Kundus-Fluss nach Spuren des Nato-Bombenabwurfs auf zwei Tanklaster suchten, handelten also im Rahmen eines militärischen Standardverfahrens. Damit war auch klar, dass es einen Bericht von ihnen geben würde. Offensichtlich wurden die Untersuchungen aber abgebrochen, weil der Oberkommandierende der internationalen Afghanistan-Schutztruppe Isaf, Stanley McChrystal eine eigene Untersuchungskommission einsetzte.

Wie reagieren die Alliierten?

Der Luftangriff auf die Tanklastwagen, die nachfolgende Informationspolitik des Verteidigungsministeriums und der erst spät erfolgte Rücktritt von Jung bedeuten für die Bundeswehr einen Imageschaden, sagt der Sicherheitsexperte Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (Bits). Künftige deutsche Kritik an Militäraktionen verbündeter Nato-Partner könne möglicherweise wegen eigener Verfehlungen bald auf taube Ohren stoßen. Zudem könnten die Vorgänge der vergangenen Tage und Monate für die Verbündeten eine Genugtuung sein, sagt Nassauer: „Jetzt sehen die Deutschen auch endlich mal, wie schwer es ist, mit einer solchen Angelegenheit umzugehen und die richtige Öffentlichkeitsarbeit zu machen.“

Für Markus Kaim, der bei der Stiftung Wissenschaft und Politik die Forschungsgruppe Sicherheitspolitik leitet, wird der Fall keine großen Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen den Alliierten haben: „Das ist eher eine politische Affäre, die zwar in den anderen, vor allem europäischen Hauptstädten zur Kenntnis genommen wird, aber keine größeren Auswirkungen haben wird.“

Welche Folgen haben die Vorfälle für die deutsche Afghanistan-Politik insgesamt?

Für Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik bedeuten die Vorkommnise eine Zäsur. „Das ist eine Revision der deutschen Afghanistan-Politik“, sagt der Sicherheitsexperte. Vor allem Karl-Theodor zu Guttenberg werde als Gewinner aus dieser Situation hervorgehen. Er habe bereits einen neuen Weg eingeschlagen, der von klaren Kriterien und Zielvorgaben gekennzeichnet sein werde. „Die deutsche Afghanistan-Politik wird sich der amerikanischen Politik annähern“, sagt er. Eine Truppen-Aufstockung gehe damit allerdings nicht zwangsläufig einher. Allerdings: „Ich erwarte schon, dass es ein höheres Engagement der Deutschen geben wird.“ Doch müsste das nicht gleichbedeutend sein mit mehr Soldaten. „Das könnten auch mehr Polizeiausbilder oder mehr zivile Helfer sein“, sagt Kaim.

Otfried Nassauer sieht in den aktuellen Vorkommnissen neben dem Imageverlust auch eine Chance. Möglicherweise ließen sich die politischen Konsequenzen der „Tanklaster-Affäre“ gerade gegenüber der afghanischen Regierung als Positivbeispiel für eine funktionierende Demokratie verkaufen. „Das bedeutet, dass Fehler geschehen, aber jemand bereit ist, die Konsequenzen zu tragen und die Verantwortung dafür zu übernehmen“, sagt Nassauer.

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