zum Hauptinhalt

Bundeswehr: Guttenberg will sparen - aber wie viel?

Die Bundeswehr muss sparen: 8,3 Milliarden Euro. Aber ihr Chef, Karl-Theodor zu Guttenberg, soll einen Rabatt ausgehandelt haben. Stimmt das und wie soll das Geld zusammenkommen?

Von

Am Anfang stand das Wort. Das Wort des Verteidigungsministers: Etwas sperrig, aber die Perspektive aufreißend sprach Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) im Mai dieses Jahres von einer „Paradigmenumkehr“. Was er damit meinte? Nicht weniger, als dass bei der Bundeswehr nichts bleiben könne wie es ist, und zwar, weil gespart werden müsse. „Der mittelfristig höchste strategische Parameter“, unter dem die Bundeswehr ab jetzt gestaltet werde, sei das „Staatsziel der Haushaltskonsolidierung, also die Schuldenbremse“, sagte der Minister. Künftig werde das Geld die Ansprüche definieren, nicht umgekehrt. Und weil Kabinettskollege Wolfgang Schäuble (CDU), seines Zeichens Finanzminister, um die Vorgaben der Schuldenbremse zu erfüllen, den Rotstift ansetzen muss, preschte Guttenberg im Juni zur schwarz-gelben Sparklausur noch einmal vor, und sagte bis 2014 mehr als acht Milliarden Euro an Einsparungen allein in seinem Etat zu.

Wie will er dieses Ziel erreichen?

Das ließ er im Vagen. Nur dass es „keine Denkverbote“ geben solle, machte er von vornherein klar, und schlug eine drastische Reduzierung der Bundeswehr und ihre Umwandlung in eine Freiwilligenarmee vor. Tatsächlich wird nun, was zuvor als unvorstellbar galt, die Wehrpflicht ausgesetzt und die Bundeswehr reformiert. Ob er aber den weitgehenden Vorschlägen der von ihm eingesetzten Strukturkommission der Bundeswehr unter Leitung des Chefs der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, folgen wird, ist nach wie vor unklar. Weise hatte sich unter anderem für eine Zusammenführung des Ministeriums in Berlin, statt wie bisher in Bonn und Berlin, und eine Halbierung der derzeit 3300 Dienstposten stark gemacht. Er schlug die Reduzierung der Ministeriumsabteilungen von 17 auf sieben vor. Überhaupt sollten die Führungsstrukturen verschlankt und überall in der Bundeswehr Hierarchieebenen abgebaut werden. Im Bereich Rüstung und Beschaffung riet er zu einem „frühzeitigen“ Dialog mit der Industrie, „wo immer militärisch akzeptabel“, müsse auf „Goldrandlösungen“ verzichtet, „komplexe Neuentwicklungen“ sollten vermieden werden.

Die Frage der Stunde aber ist, ob das alles nicht erst mal eher mehr Geld kostet, statt Geld einzusparen. Und wieder ist es Guttenberg, der als Erster feststellt, dass eine jede Reform erfahrungsgemäß eine „Anschubfinanzierung“ brauche.

Bekommt der Verteidigungsminister

einen Sparrabatt?

Der „Spiegel“ berichtet, dass der Verteidigungsminister davon ausgehe, einen Sparrabatt zu bekommen und statt 8,3 Milliarden nur vier Milliarden Euro weniger ausgeben müsse. Das habe ihm die Kanzlerin zugesagt, soll Guttenberg gegenüber Parlamentariern des Verteidigungsausschusses erklärt haben. Die Bundeswehr müsse ja ihre von der Verfassung und durch internationale Übereinkommen vorgegebenen Verpflichtungen erfüllen können. Wenn zusätzliches Geld nötig werde, müsse es halt im Haushalt anderer Ministerien eingespart werden, soll Guttenberg argumentiert haben.

Die Parlamentarier im Verteidigungsausschuss können sich aber an Einlassungen des Ministers solcher Art nicht erinnern. Doch ob gut gestreutes Gerücht oder mehr – Ministerium und Regierung sehen sich zu Erklärungen genötigt, Haushaltspolitiker aller Parteien sind verstimmt. Minister zu Guttenberg sehe sich „nach wie vor“ dem Sparen verpflichtet, beteuerte ein Ministeriumssprecher am Mittwoch. Vizeregierungssprecher Christoph Steegmans bekräftigte, dass der Sparbeitrag des Verteidigungsressorts von 8,3 Milliarden Euro bis 2014 bestehen bleibe. Es dürfe aber keine Sicherheitspolitik nach Kassenlage geben. Damit wiederholte er auch die Linie von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die im Sommer sagte: „Wegen zwei Milliarden kann ich nicht die deutsche Sicherheit aufs Spiel setzen.“

Die Haushaltspolitiker von Union und FDP drängen den Minister. Er dürfe die geplante Bundeswehrreform nicht als Vorwand missbrauchen, um das Paket im Gesamtvolumen von 80 Milliarden Euro auszuhebeln, sagten die Chef-Haushälter der Koalitionsfraktionen, Norbert Barthle (CDU) und Otto Fricke (FDP), der „Süddeutschen Zeitung“. „Der beschlossene Finanzplan gilt – auch für den Verteidigungsminister“, betonte Fricke. Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider warf Guttenberg vor, sich bei der Etatsanierung „vom Acker“ zu machen. Die Debatte zeige, dass alle Sparzusagen des Ministers von Beginn an reines Wunschdenken gewesen seien.

Gibt es schon konkrete Sparpläne?

Die Opposition fordert Antworten, Perspektiven – und deren Umsetzung. Guttenberg müsse endlich sagen, wie das Ausrüstungs-, Stationierungs- und Personalkonzept denn künftig aussehen solle, heißt es. Doch der Minister lässt sich Zeit. Entsprechende Pläne würden im ersten Halbjahr 2011 erarbeitet, sagte ein Ministeriumssprecher am Mittwoch. Schließlich wisse man erst „seit ein paar Tagen“, dass die Bundeswehr künftig einen Umfang von „bis zu 185 000 Männer und Frauen“ haben soll. Nur kann man das schon länger wissen, weil sich die Unionsparteien bereits auf ihren Parteitagen im Oktober darauf verständigt hatten. Richtig ist, dass das Kabinett dies erst vor einer Woche beschlossen hat.

Der Verteidigungsexperte der Grünen, Omid Nouripour, hält das ursprüngliche Sparziel an sich für „fiskalisch und sicherheitspolitisch realistisch“. Da aber die Verkleinerung der Bundeswehr weniger drastisch ausfällt als zunächst geplant, da für 2011 noch keine konkreten Reformschritte erkennbar seien, und da Guttenberg dem Flugzeughersteller EADS zugesagt hat, anfallende Mehrkosten beim Transportflugzeug A400M in Höhe von 1,5 Milliarden Euro vom Steuerzahler übernehmen zu lassen, sehe er nicht, „wie das Sparziel auch nur annähernd erreicht werden soll.“

Rainer Arnold spricht von einer „Luftnummer“. Der SPD-Verteidigungsexperte sagt, er gehe davon aus, dass die Regierung in den kommenden Jahren das Sparziel „Mal um Mal verschieben“ werde. Eine Verkleinerung der Bundeswehr lasse sich nicht in ein, zwei Jahren vollziehen, „die Menschen sind ja da und können nicht einfach entlassen werden“. Hinzu komme, dass die Industrie in den nächsten Jahren „endlich in der Lage sein wird“, eine Reihe größerer Projekte auszuliefern, wie den A400M und den Hubschrauber Tiger. Da wird also Geld fällig.

Wie reagiert die Industrie auf die Spardebatte?

Die Industrie warnt die Regierungskoalition davor, Rüstungsprojekte zu streichen. „Eine modern ausgestattete, leistungsfähige Bundeswehr zu fordern und gleichzeitig drastisch bei den Beschaffungen sparen zu wollen, passt kaum zusammen“, sagte Dietmar Schrick, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI). Um die Bundeswehrreform zum „wirklichen Erfolg“ zu führen, müsse der Verteidigungshaushalt ausreichend ausgestattet sein, sagte Schrick. „Das ist er allem Anschein nach im Moment nicht“, fügte er hinzu. Zugleich warnte er davor, militärische Ausrüstung vermeintlich günstig im Ausland zu beschaffen. „Dadurch wird man abhängig – in Preis, Technologie und zeitlicher Verfügbarkeit“. Zudem würde die Regierung damit nicht nur Arbeitsplätze gefährden, sondern auch über viele Jahre hinweg mit öffentlichen Mitteln geförderte und weltweit wettbewerbsfähige Spitzentechnologien und Produkte.

Zur Startseite