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Bundeswehr: Guttenberg: Wir bleiben in Afghanistan

Nach dem Tod von drei deutschen Soldaten in Nordafghanistan spricht Verteidigungsminister zu Guttenberg erstmals von "Krieg" am Hindukusch. Kritik an der deutschen Afghanistan-Strategie weist er zurück. Die sterblichen Überreste der getöteten Soldaten sind inzwischen zurück in Deutschland.

Festhalten am Afghanistan-Einsatz: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat nach den schweren Verlusten der Bundeswehr bei Kundus Forderungen nach einem umgehenden Truppenabzug zurückgewiesen. Das sei man auch den toten und verwundeten Soldaten schuldig, sagte Guttenberg am Sonntag in Bonn. "Wir bleiben in Afghanistan." Auf zahlreichen Ostermarsch-Kundgebungen in Deutschland forderten Demonstranten das Ende des Militär-Einsatzes. Verantwortung für die jüngsten Toten trage die "zynische und uneinsichtige Politik" der Bundesregierung, hieß es. Am Sonntagabend landete ein Regierungs-Airbus mit den Särgen der drei getöteten Fallschirmjäger auf dem Flughafen Köln/Bonn.

Zwei Tage nach dem bislang schwersten Gefecht der Bundeswehr in Afghanistan nahmen die Soldaten im Feldlager Kundus Abschied von ihren getöteten Kameraden. "Wir haben alle gehofft, dass wir diesen Tag niemals erleben müssen", sagte der Isaf-Kommandeur für Nordafghanistan, Brigadegeneral Frank Leidenberger. "Die Hoffnung wurde am 2. April jäh zerstört."

Am Samstag waren bereits vier schwer verletzte Soldaten nach Deutschland geflogen worden. Zwei von ihnen wurden noch in der Nacht im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz operiert. Ihr Gesundheitszustand ist nach Bundeswehrangaben stabil.

Guttenberg: Man kann "umgangssprachlich von Krieg reden"

Der Verteidigungsminister distanzierte sich angesichts der Eskalation der Gewalt von der früheren Sprachregelung, wonach die Deutschen in Afghanistan einen Stabilisierungseinsatz durchführten. "Auch wenn es nicht jedem gefällt, so kann man angesichts dessen, was sich in Afghanistan, in Teilen Afghanistans abspielt, durchaus umgangssprachlich - ich betone umgangssprachlich - in Afghanistan von Krieg reden", sagte Guttenberg. Zuvor hatte er schon von "kriegsähnlichen Zuständen" gesprochen und sich damit von seinem Amtsvorgänger Franz Josef Jung (CDU) abgegrenzt. Guttenberg brach seinen Osterurlaub in Südafrika ab, um am Sonntag auch die Verwundeten im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz zu besuchen und den Familien der getöteten Soldaten aus dem Standort Seedorf in Niedersachsen bei der Ankunft der Särge beizustehen.

An Karfreitag war eine Bundeswehr-Patrouille im Unruhedistrikt Char Darah nahe Kundus in einen Hinterhalt geraten. Die Soldaten wurden beim Minenräumen mit Handfeuerwaffen und Panzerfäusten angegriffen. Bei stundenlangen Gefechten mit radikal-islamischen Taliban wurden drei deutsche Soldaten getötet und acht weitere verletzt. Die Isaf-Truppen hätten auf Angriffe aus der Luft auch verzichtet, um die Zivilbevölkerung nicht zu gefährden, sagte Generalinspekteur Volker Wieker am Sonntag in Bonn.

Generalbundesanwalt untersucht "Friendly Fire"-Fall

Am Rande der Kämpfe wurden zudem durch Bundeswehr-Beschuss sechs Soldaten der verbündeten afghanischen Armee irrtümlich getötet. Der Vorfall werde jetzt intensiv untersucht, berichtete Guttenberg. Der Generalbundesanwalt habe den Gesamtfall an sich gezogen. Er wandte sich dagegen, über den nächtlichen Hergang zu spekulieren. Es sei jedoch "ausgesprochen ärgerlich, wenn so etwas passiert". Auch die Nato, Afghanen und die Bundeswehr untersuchten den Fall. Die Bundesregierung habe sich bei der afghanischen Seite entschuldigt. Der Kommandeur der internationalen Schutztruppe Isaf, Stanley McChrystal, informierte sich im Feldlager Kundus über die Geschehnisse vom Freitag.

Guttenberg bestritt ein Scheitern der neuen Afghanistan-Strategie der Bundesregierung. Die neue Strategie könne erst dann greifen, "wenn wir die entsprechenden Kräfte (haben) und die entsprechenden Ausbildungsschritte gemacht haben". Die neue Strategie sieht eine Aufstockung des Kontingents von 4500 auf bis zu 5350 Soldaten sowie eine intensivere Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte vor.

Guttenberg weist Kritik von Kujat zurück

Der Verteidigungsminister wies die Kritik des früheren Generalinspekteurs Harald Kujat zurück, die schweren Verluste der Bundeswehr seien auf das Fehlen moderner Aufklärungssysteme zurückzuführen. "Man sollte mit pauschalen Urteilen darüber, was fehlt, sehr zurückhaltend sein", sagte er. Die Talibangruppen seien äußerst professionell vorgegangen. Die Bundeswehr habe Aufklärungsmittel vor Ort gehabt und diese auch eingesetzt. "Es versteht sich, dass wir untersuchen werden, ob alles bestens gewährleistet war."

Aus dem Luftangriff im September, bei dem nahe Kundus bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt wurden, seien nicht die nötigen Lehren gezogen worden, sagte Kujat der "Welt am Sonntag". "Unsere Soldaten sind dort nur in diese Lage geraten, weil sie wie so oft nicht mit den nötigen modernen Aufklärungssystemen ausgerüstet sind." Der General, der zwischen 2000 und 2002 Deutschlands ranghöchster Soldat war, befürchtet weitere Anschläge auf die deutschen Soldaten in Nordafghanistan.

Bei der Trauerfeier für die getöteten Deutschen in Kundus sprach Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) den versammelten Soldaten die Anteilnahme der Bundesregierung aus. Er hatte seine Afghanistan-Reise um einen Tag verlängert, um an der Trauerfeier teilnehmen zu können. "Die deutschen Soldaten lassen sich durch noch so heimtückische Gewalt nicht beeinflussen", sagte der FDP-Politiker. Niebel flog am Sonntag nach Deutschland zurück. In dem Regierungs-Airbus waren auch die Särge mit den toten Soldaten. (dpa/ddp)

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