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Bundeswehr

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Bundeswehr: High-Tech mit Tücken

Zu schwer, zu sperrig, zu unzuverlässig: Bundeswehrsoldaten in Afghanistan klagen über neue Infanterieausrüstung - das Ministerium wiegelt ab.

Von Michael Schmidt

Berlin - Zu schwer, zu sperrig, zu unzuverlässig – die neue High-Tech-Infanterieausrüstung der Bundeswehr stößt in der Truppe offenbar auf herbe Kritik. Die Ausstattung namens „Infanterist der Zukunft“ kostet pro Soldat rund 20 000 Euro und umfasst unter anderem einen Kampfanzug mit ABC-Schutz, ein Helm-Display, eine Schutzweste, Mini-Computer, Schutzbrille, Nachtsicht-, Wärmebild- und Funkgeräte sowie neue Waffen.

Sie ist die Antwort der Bundeswehr auf die Herausforderung der neuen, „asymmetrischen Bedrohungen“ im 21. Jahrhundert: Der moderne Infanterist läuft nicht mehr in großer Zahl neben riesigen Panzerverbänden her. Er muss vielmehr auf sich allein gestellt in unwegsamem Gelände selbstständig, ohne auf Entscheidungen „von oben“ zu warten, entscheiden und handeln. Ihn dazu in die Lage zu versetzen, ist Sinn und Zweck der neuen High-Tech-Ausstattung. Die ersten 15 Sätze für in der Regel zehnköpfige Gruppen wurden 2004 beschafft, derzeit verfügt das Heer über 219 Systeme dieser Art. Der „Spiegel“ zitierte nun am Wochenende aus internen Berichten aus dem Afghanistan-Einsatz, wonach die Ausrüstung aber schwere Mängel aufweise.

Die Kritikpunkte im Einzelnen: Die Ausrüstung sei zu schwer, heißt es, was Beweglichkeit und Leistungsfähigkeit der Soldaten insbesondere bei großer Hitze stark einschränke. Die Weste samt Panzerung sei so sperrig, dass die Soldaten in äußerst unbequemer Sitzhaltung in den Geländewagen kauern müssten – und nur mit Mühe wieder aussteigen könnten. Die Schutzbrille sei „nicht nutzbar“, da sie schon bei geringem Schwitzen anlaufe und kaum Schutz gegen Fahrtwind biete. Und der Mini-Computer, der den Infanteristen in der Fremde mit Hilfe von Satellitennavigation und elektronischen Landkarten metergenaue Orientierung garantieren soll, liefere teilweise unzuverlässige Angaben und besitze zu wenig Speicherkapazität. Die Reichweite der Funkgeräte sei zu gering, außerdem falle den Soldaten ständig der Hörknopf aus dem Ohr. Die Empfehlung eines Kommandeurs laute, die Heeresleitung solle Schlüsselkomponenten wie etwa das Navigationsgerät durch benutzerfreundlichere, handelsübliche Produkte ersetzen; dann ließen sich Kampfkraft und Durchhaltefähigkeit bei gleichzeitiger Einsparung von Kosten deutlich verbessern.

Kritik an der Ausrüstung der Soldaten gibt es immer wieder: Beim Kongo-Einsatz 2006 beklagten Bundeswehrangehörige das Fehlen von Sonnenbrillen und kurzen Hosen, zudem hatte man ihnen wüstentaugliche Stiefel mit auf den Weg in das tropische Klima des afrikanischen Landes gegeben. In Afghanistan sah sich ein Patrouillenführer 2006 gezwungen, auf eigene Rechnung ein Fernrohr beim Kaffeeröster Tchibo zu kaufen, um seinem Auftrag nachkommen zu können. Angesprochen auf den „Infanteristen der Zukunft“ sagte Wilfried Stolze, Sprecher des Deutschen Bundeswehrverbandes, dem Tagesspiegel am Sonntag: „Wenn Soldaten sich beklagen, und sei es hinter vorgehaltener Hand, dann muss die Führung dem nachgehen und die Technik, wenn nötig, nachbessern.“ Die „beste Ausstattung für die höchstmögliche Sicherheit“ der Bundeswehrangehörigen in gefährlichen Auslandseinsätzen habe „absoluten Vorrang“.

Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte dem Tagesspiegel, bei einzelnen Komponenten des jetzt im Einsatz befindlichen Basissystems der Ausrüstung „Infanterist der Zukunft“ gebe es sicherlich Verbesserungsmöglichkeiten, insgesamt habe es sich aber im Einsatz bewährt und „zur Steigerung des Schutzes und der Durchsetzungsfähigkeit der Soldaten beigetragen“. Die Ausstattung nehme im internationalen Vergleich „eine vordere Position“ ein, „darüber hinaus wird sie kontinuierlich weiterentwickelt und verbessert.“    

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