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Afghanistan Bundeswehr

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Bundeswehr in Afghanistan: Es fehlt an "allen Ecken und Enden"

Die Bundeswehr in Afghanistan leidet unter gravierenden Versorgungsmängeln. Es fehlt an Ersatzteilen, Ausrüstung und sogar Munition. Das ist nicht nur ärgerlich für die Soldaten, sondern könnte mit der Winteroffensive der Taliban richtig gefährlich werden.

Die im nordafghanischen Bundeswehrlager Mazar-i-Sharif stationierten Soldaten sehen besorgt dem Winter entgegen. Es fehle an "allen Ecken und Enden", weil der Nachschub nicht so funktioniere, wie es nötig sei, war aus Offizierskreisen in Mazar-i-Sharif zu erfahren. Manchmal dauere es Monate, bis wichtige Ersatzteile für Fahrzeuge, Radpanzer und Hubschrauber eintreffen. Sogar Munition für Pistolen und Maschinengewehre sei nicht selten erst mehrere Wochen nach der Anforderung in Afghanistan angekommen.

Besonders beklagen die Soldaten, dass sie der von den Taliban angekündigten Winteroffensive für den bisher relativ ruhigen Norden "ziemlich hilflos ausgeliefert sein könnten". Es gebe zu wenig Abwehrmaßnahmen, um die Lager von Mazar-i-Sharif, Kundus und Faisabad gut verteidigen zu können. Im Ernstfall könnten nur die amerikanischen Kampfhubschrauber oder Kampfjets helfen.

Kein Mittel zur Gegenwehr

In einem Geheimbericht heißt es, es sei "nicht hinzunehmen, dass die Truppe mit unzureichend oder nicht geschützten Fahrzeugen ausgestattet ist". Der Bedrohung durch Beschuss mit Artillerieraketen und Mörsergranaten könnten die deutschen Kontingente gegenwärtig noch keine "effektiven Mittel zur Bekämpfung entgegenstellen".

Die Bundeswehr hat nur sechs Hubschrauber am Hindukusch im Einsatz, die ausschließlich zum Transport von Material und Soldaten geeignet sind. Es gibt keine Panzerhaubitzen, die angreifende Taliban schon in größerer Entfernung bekämpfen könnten. Auch hat die Bundeswehr auf den Einsatz ihrer hochmodernen Leopard-Panzer verzichtet, weil sie einen "zu martialischen Eindruck erwecken könnten". In Mazar-i-Sharif stehen "zur Abschreckung" nur vier Marder-Schützenpanzer.

Aufgeblähte Bürokratie

Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt (CSU), bestätigte die Engpässe. Er sagte der "Netzeitung", vor allem in Deutschland müsse schon "einiges besser koordiniert werden", damit der Nachschub richtig rolle. Offiziere beklagten in diesem Zusammenhang die "viel zu aufgeblähte Bürokratie" in der Heimat, die rasche Lieferungen verhindere, um "noch diesen oder jenen bürokratischen Vorgang auf dem Papier abzuschließen".

Offiziere wiesen in Mazar-i-Sharif darauf hin, dass nur etwa 50 Prozent der in Afghanistan eingesetzten Fahrzeuge ausreichend gegen die Angriffe der Taliban durch auf Straßen versteckte Bomben oder gegen Selbstmordattentäter geschützt sind. Von den sechs in Mazar-i-Sharif stationierten Aufklärungsmaschinen "Tornado" musste schon eine ausgetauscht werden. Die Aufklärer haben einen umfangreichen Einsatz über Afghanistan zu absolvieren.

Einsatz von privaten Hubschraubern

Die Nato-Verteidigungsminister hatten erst kürzlich bei einem informellen Treffen im niederländischen Noordwijk zugegeben, dass es "erhebliche militärische Mängel beim Einsatz in Afghanistan gibt".

Von Diplomaten in Brüssel war zu erfahren, dass es bei der Nato sogar Überlegungen gibt, Hubschrauber von Privatunternehmen einzusetzen, um die Truppen besser und schneller mit dem nötigen Nachschub versorgen zu können. Diese Gedanken sind jedoch bei den Militärs umstritten. Während man Militärpiloten befehlen könne, in ein umkämpftes Gebiet zu fliegen, könnten zivile Piloten einen solchen Einsatz verweigern, geben die Offiziere zu bedenken. (mit ddp)

Friedrich Kuhn

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