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Die Bundeswehr im türkischen Incirlik.

© Bundeswehr/Falk Bärwald/dpa

Bundeswehr in der Türkei: Nicht auf dem Rücken der Soldaten

Der türkische Präsident Erdogan ist außenpolitisch in keiner starken Position. Deutschland muss auf Diplomatie statt auf Konfrontation setzen.

Manchmal braucht Politik eine klare, harte Sprache. Manchmal führt eher Zurückhaltung zum Ziel. Aber wenn sich Innenpolitik und Außenpolitik berühren, wenn der innerdeutsche verbale Schlagabtausch gar über außenpolitische Themen geführt wird, ist Besonnenheit nach allen Erfahrungen jedoch immer eher als Drohgebärden angesagt.

Markige Wort sind wohlfeil. Wenn sie jedoch bei nüchterner Betrachtung in der Sache nicht nur keinen Fortschritt bringen, sondern sogar zur Bildung von Fronten führen, sind sie gefährlich.

Seit der Bundestag im Juni in seiner Armenienresolution das türkische Vorgehen gegen die Armenier zum Beginn des 20. Jahrhunderts als Völkermord bezeichnete, gibt sich die türkische Regierung brüskiert, reagiert Staatschef Erdogan beleidigt und beleidigend und führt vor allem gegenüber deutschen Bundestagsabgeordneten mit türkischen Wurzeln eine Sprache, die dem Wörterbuch des Unmenschen entlehnt ist.

Und die türkische Regierung verweigert seitdem deutschen Parlamentariern jeden Besuch bei deutschen Soldaten, die auf dem in der Türkei gelegenen Nato-Stützpunkt Incirlik stationiert sind. Erdogan will in seiner Blut-und-Boden-Rhetorik damit alle Abgeordneten treffen, die für die Armenienresolution gestimmt haben.

Nun kann man in der Tat über die politische Klugheit dieser Resolution ins Nachdenken kommen, auch wenn der Bundestag ausdrücklich die Mitschuld des Deutschen Reichs an den Verbrechen gegen die armenische Bevölkerung in der Türkei erwähnte.

Kein Einknicken vor türkischen Drohungen

Vermutlich wäre es aber klüger gewesen, jenen abwägenden Ratschlägen zu folgen, die die Einrichtung einer internationalen Historikerkommission zur Untersuchung der damaligen Massaker anregten. Aber die Mehrheit der Abgeordneten wollte nicht diplomatische, kluge Zurückhaltung zeigen, von der sie sich bei einem anderen, diesmal wirklich nur deutsche Täter betreffenden Verbrechen leiten ließ: Am 17. März 2016 stimmten CDU/CSU und SPD gegen einen Antrag der Fraktion Die Linke, zur Versöhnung mit Namibia und zum „Gedenken an und Entschuldigung für den Völkermord an den Herero und Nama in der ehemaligen Kolonie Deutsch- Südwestafrika“.

Die Regierungsfraktionen wollten den laufenden diplomatischen Annäherungsprozess zwischen Deutschland und Namibia durch eine solche Resolution, so richtig sie in der Sache auch sein mochte, nicht stören – die Grünen enthielten sich übrigens. Im Juni aber ging es letztlich auch weniger um Armenien als darum, Erdogan zu zeigen, dass der deutsche Bundestag vor seinen Drohungen nicht einknickt.

Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Jeder Auslandseinsatz deutscher Soldaten muss vom Bundestag genehmigt werden. Das derzeitige Mandat der deutschen Tornadobesatzungen für Incirlik läuft im Dezember aus. Dass vor allem die Mitglieder des Verteidigungsausschusses sich vor Ort überzeugen wollen, wie die deutschen Soldaten untergebracht sind – eine Selbstverständlichkeit, deren Bedeutung ein türkischer Präsident offenbar nicht ganz begriffen hat, der generell dazu neigt, sich eher an Fiktionen als an Fakten zu orientieren.

Niemand will die Verlegung des Luftwaffenstützpunktes

Die SPD-Politiker Rainer Arnold, Rolf Mützenich und sogar der Fraktionsvorsitze, Thomas Oppermann, fordern nun: Wenn es bis zum Oktober keinen Abgeordnetenbesuch in Incirlik gegeben hat, wird das Mandat kaum verlängert. Die Tornados müssten dann nach Zypern oder Jordanien verlegt werden.

Das wollen weder die Kanzlerin noch die Verteidigungsministerin, die Bundeswehrspitze selbst will es auch nicht, und auch nicht der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels. Darüber hinaus wissen auch die sozialdemokratischen Parlamentarier, dass hinter den Kulissen ein Besuch Anfang Oktober mit der türkischen Seite ventiliert wird. Was soll also das Auftrumpfen?

Dass sich Deutschland im Umgang mit anderen Ländern nicht auf Entweder-oder-Parolen einlassen sollte, lehrt nicht nur die Vergangenheit. Die Türkei ist zudem außenpolitisch nicht in einer so starken Position, wie Erdogan glauben machen will: Fast überall, wo er Stärke demonstrierte, musste er hinterher klein beigeben.

Auch deshalb ist dies nicht der Platz für verbale Zackigkeit, sondern die Stunde der Diplomatie. Eine Verlegung der deutschen Tornadobesatzungen vom Nato-Stützpunkt Incirlik weg auf einen weit entfernten, isolierten Flugplatz wäre zum Schaden der eigenen Truppe. Innenpolitische Profilierung zum Nachteil der Soldaten im Auslandseinsatz – undenkbar.

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