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Bundeswehr: In heikler Mission

Zwei Bundeswehrsoldaten haben ein Buch über ihren Alltag in Afghanistan geschrieben. Fraglich ist, ob alle Einschätzungen stimmen.

Berlin - Es soll aufrütteln und die Wirklichkeit des Alltags der deutschen Soldaten in Afghanistan beschreiben – das Buch „Endstation Kabul“ zweier ehemaliger Bundeswehrsoldaten. Nach der Präsentation des „packenden Tatsachenberichts“, so die Eigenwerbung, blieben jedoch durchaus Fragen offen.

Autor Achim Wohlgethan, ehemaliger Stabsunteroffizier, beklagte am Donnerstag in Berlin, dass er während seines sechsmonatigen Aufenthalts 2002 bis zu zwölf Mal an Einsätzen außerhalb des Mandatsgebiet teilgenommen habe. Dies bestätigte Ko-Autor Dirk Schulze, der zu dieser Zeit Hauptmann in der Afghanistan war. Damit sei gegen die Vorgaben des Bundestages verstoßen worden. Besonders schwer wiegen die Vorwürfe, Vorgesetzte hätten von Aufklärungseinsätzen außerhalb der Hauptstadt Kabuls gewusst und entsprechende Berichte ihrer Soldaten zur Kenntnis genommen. Einen offiziellen Befehl habe es dafür aber nicht gegeben. Beweisen könne er diese Einsätze nicht. „Das wurde eher abends bei einer gemütlichen Runde geklärt“, sagte Wohlgethan. Dass sich ein Stabsunteroffizier mit Mandatsgrenzen befasse, passe nicht zusammen, hieß es aus dem Verteidigungsministerium. „Wir werden die angesprochenen Aspekte aber prüfen“, sagte ein Sprecher.

Die beiden ehemaligen Soldaten, die erst nach Ende ihrer Dienstzeit 2006 an dem Buch zu arbeiten begannen, kritisierten auch die „unzureichende Evakuierungsmöglichkeiten“ für die Soldaten. Im Ernstfall säßen die in Afghanistan insgesamt eingesetzten 3600 Bundeswehrsoldaten „in einer Falle“. Experten bezweifelten jedoch, ob ein Stabsunteroffizier ausreichende Kenntnisse gehabt habe, um die Lage angemessen einzuschätzen.

Unklar blieben auch andere Schilderungen, mit denen das Buch beworben worden war. So habe es die in einem Vorabbericht im Magazin „Stern“ beschriebenen Saufgelage von Bundeswehrsoldaten nicht gegeben, sagte Wohlgethan. „Da wurde übertrieben.“ Auf Anraten von Rechtsanwälten hatte Wohlgethan zuvor nach eigener Auskunft mehrere Passagen aus dem Buch rausnehmen lassen, in denen Schilderungen vorgekommen seien, die sich nur schwer hätten beweisen lassen.

In dem Buch beschreibt Wohlgethan, wie er mit einem Nachtsichtgerät beobachten konnte, dass es in der afghanischen Armee zu Vergewaltigungen junger Soldaten durch ältere Vorgesetzten gekommen sei. Darüberhinaus hätten ihn 2002 Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) als Informanten anwerben wollen – zu einem Zeitpunkt als die Tätigkeit des Geheimdienstes dort illegal war. Dem MAD sind Auslandseinsätze erst seit 2004 gesetzlich erlaubt. Die beiden Soldaten schildern, dass sie sich in ihrer Zeit am Hindukusch auch von Vorgesetzten nicht unterstützt fühlten und mangelhaft ausgerüstet waren.

Dies deckt sich mit den Ergebnissen einer Mitgliederumfrage des Bundeswehrverbandes, wie Sprecher Wilfried Stolze bestätigte. „Viele Bundeswehrsoldaten fragen sich warum sie in Afghanistan stationiert sind“, sagte Stolze. Inzwischen seien die Soldaten dort wegen zunehmender Anschläge Aufständischer einer größeren Gefahr ausgesetzt als noch 2002. Am Mittwoch wird sich der Verteidigungsausschuss des Bundestages auf Nachfrage der FDP mit den Vorwürfen befassen. Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau (Linke) fordert mehr: „Das ist ein Thema für die Öffentlichkeit und nicht nur für den Verteidigungsausschuss“, sagte Pau dem Tagesspiegel.

Wohlgethan betonte, er erhebe keine Vorwürfe gegen die Bundeswehr, vielmehr habe die Politik versagt. Dennoch war das Verhältnis des Soldaten zur Armee offenbar nicht immer spannungsfrei. Wohlgethan, der Abitur hat und 41 Jahre alt ist, war während seiner Dienstzeit Stabsunteroffizier. Obwohl er erst 1995 mit 28 Jahren seinen Dienst als Zeitsoldat antrat, hätte er üblicherweise schon lange Offizier sein können. Eine Laufbahn als Berufssoldat habe man ihm verweigert, sagte er auf Nachfrage.

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