zum Hauptinhalt

Bundeswehr: Premiere zum Fünfzigsten

Mit einem Großen Zapfenstreich hat die Bundeswehr ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert. Erstmals fand die umstrittene Zeremonie vor dem Reichstag statt.

Berlin - Bundestag und NATO haben die Bundeswehr im 50. Jahr ihres Bestehens als Grundpfeiler der internationalen Sicherheitspolitik gewürdigt. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik marschierten am Mittwochabend Soldaten zu einem Großen Zapfenstreich - dem höchsten militärischen Zeremoniell - vor dem Bundestag auf. Rund 2000 Sicherheitskräfte schützen die Veranstaltung mit rund 5000 Gästen, darunter Bundespräsident Horst Köhler, Kanzler Gerhard Schröder und NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer. Nach Polizeiangaben demonstrierten 1200 Menschen gegen den Zapfenstreich. De Hoop Scheffer stimmte Deutschland in einer Feierstunde des Parlaments auf zusätzliche Auslandseinsätze ein. Der neue Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) ging auf die Finanznöte der Armee ein und stellte mehrfach die Reform der Bundeswehr als beispiellos in der Gesellschaft dar.

Den halbstündigen Zapfenstreich führten das Wachbataillon des Verteidigungsministeriums und zwei Musikkorps der Bundeswehr auf dem Platz der Republik auf. Zahlreiche linke Gruppen und auch die Linkspartei protestierten dagegen und nannten das Zeremoniell eine «Überhöhung des Militärischen». Junge Leute riefen «Soldaten sind Mörder». Das Parlaments- und Regierungsviertel wurde abgeriegelt und mit 600 Feldjägern und 1300 Polizisten gesichert.

De Hoop Scheffer sagte, es müssten mehr Soldaten für Missionen in Krisenländern bereitgestellt werden. Bundeswehr und NATO setzten als Lehre aus der Geschichte Nationalismus und Fundamentalismus eine Alternative entgegen. «Diese Alternative müssen wir auch heute verteidigen ... notfalls auch mit Taten.» Abschreckung allein reiche nicht mehr. «Entweder wir begegnen den Problemen dort, wo sie entstehen, oder sie kommen zu uns.» Kein Staat könne sich mehr reine Landesverteidigung leisten. Nötig seien Friedenseinsätze. 1955 sei die Bundeswehr gegen Protest in der Bevölkerung gegründet worden und habe einen Beitrag im Bündnis leisten müssen, der anderen nicht bedrohlich erschien. «Diesen Test hat sie mit Bravour bestanden.»

Lammert sagte: «Die Bundeswehr ist ein Kind des Kalten Krieges gewesen. Aber ohne die Bundeswehr wäre der Kalte Krieg sicherlich nicht überwunden worden.» Bei ihrer Gründung sei sie wie keine zweite Institution umstritten gewesen. Heute stehe sie «außerhalb jedes ernst zu nehmenden Streits». Die Bundeswehr habe ihre Aufträge immer unter Haushaltsnöten erfüllen müssen. Reformen seien die Regel gewesen. Die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD wären leichter, wenn in anderen Bereichen Ähnliches geleistet worden wäre.

Die Bundeswehr mit derzeit rund 255.000 Soldaten ist international einer der größten Truppensteller bei internationalen Einsätzen. Am 7. Juni 1955 war die Wehrverwaltung gegründet worden. Am 12. November 1955 wurden die ersten 101 Freiwilligen vereidigt.

Der scheidende Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sagte im ZDF: «Der Zapfenstreich hat nichts mit den Nazis oder mit der Wehrmacht zu tun, sondern ist eine alte preußische Tradition.» Struck rechnet mit einer Fortführung der unter Rot-Grün eingeleiteten Bundeswehrreform. «Ich sehe eine große Kontinuität auch bei meinem Nachfolger», sagte er über den designierten Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). Jung hat dem Vernehmen nach vor der Feierstunde mit de Hoop Scheffer gesprochen. (tso/dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false