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Politik: Bundeswehr soll nicht Polizei werden

Innenministerium sieht keine Notwendigkeit für Grundgesetzänderung / Struck lässt aber weiter prüfen

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Berlin. Die Frage, ob für einen Abschuss von Terror-Fliegern durch die Bundeswehr eine Änderung des Grundgesetzes nötig ist, ist sowohl innerhalb der rot-grünen Koalition als auch in der Opposition umstritten. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) hatte nach der Entführung eines Flugzeugs in Frankfurt am 5. Januar zunächst gesagt, man werde für Einsätze der Bundeswehr im Inneren „um eine Änderung des Grundgesetzes wohl nicht herumkommen“. Am Montag relativierte ein Sprecher Strucks Aussage.

Nach Meinung des Innenministeriums darf die Luftwaffe bei einem befürchteten terroristischen Anschlag mit einem Flugzeug die Maschine notfalls auch abschießen, wenn Menschenleben unmittelbar bedroht sind. Dazu sei keine Grundgesetzänderung notwendig, sagte der Sprecher des Ministeriums am Montag in Berlin und verwies ausdrücklich auf die Absturzdrohung eines Piloten in Frankfurt. Rechtsgrundlage für den Eingriff ist nach Meinung seines Hauses der „übergesetzliche Notstand". Verteidigungsminister Struck dagegen will die Rechtsfrage weiter prüfen lassen. Nach Auskunft seines Sprechers soll die Frage in der interministeriellen Arbeitsgruppe „Sicherheit im Luftraum“ geklärt werden. Die Dringlichkeit von Strucks Vorschlag stellte sein Sprecher indirekt in Frage. Der Minister habe bei seinen Äußerungen unter dem Eindruck der Frankfurter Ereignisse gestanden, sagte der Sprecher. Die Arbeitsgruppe war nach dem 11. September 2001 ins Leben gerufen worden. Sie hat bislang viermal geheim getagt und soll nach Angaben des Verteidigungsministeriums auch prüfen, wie die Zusammenarbeit zwischen den in Krisenfällen beteiligten Behörden besser koordiniert werden kann. Struck wies aber Forderungen der Union, die Bundeswehr auch polizeiliche Aufgaben übernehmen zu lassen, zurück. Es sei „unvorstellbar“, zum Beispiel Soldaten gegen Demonstranten einzusetzen.

Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble sagte, die Union plädiere seit zehn Jahren für Verfassungsänderungen zum Einsatz der Bundeswehr, „und wenn die Regierung jetzt auf den Weg der Vernunft einschwenkt, begrüßen wir das“. Der thüringische Innenminister und Vorsitzende der Innenministerkonferenz der Länder, Andreas Trautvetter (CDU), sagte, man solle sich bis zum Sommer auf eine Änderung des Grundgesetzes einigen.

Während Grünen-Chefin Angelika Beer sagte, ihre Partei würde eine Verfassungsänderung mittragen, wenn ansonsten die Trennung zwischen Bundeswehr und Polizei erhalten bleibe, sah die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Silke Stokar, keinen Anlass für eine solche Debatte. Die Bundeswehr könne der Polizei schon heute Amtshilfe leisten. Auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, erklärte, der Einsatz der Streitkräfte gegen terroristische Anschläge sei durch das Grundgesetz gedeckt. FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte, dass der Frankfurter Vorfall offenbar zum Vorwand genommen werden solle, um eine Änderung der Verfassung durchzusetzen. Er befürchte, die Bundeswehr solle als „Hilfspolizei“ eingesetzt werden. Auch der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, lehnte Einsätze der Bundeswehr im Inland ab.

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