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Schmerzhaft. Mit den Auslandseinsätzen wächst die Zahl der Verletzungen. Der Verteidigungsminister beim Besuch des Trauma-Zentrums der Bundeswehr.

© Michael Gottschalk/ddp

Bundeswehr: Trauma als Stigma

Der Bedarf der Bundeswehr an Psychiatern steigt mit der Zahl der Auslandseinsätze, bei denen es immer öfter zu Gewalterlebnissen kommt. Verteidigungsminister Guttenberg will offener mit den seelischen Verletzungen von Soldaten umgehen.

Berlin - An den Wänden hängen Bilder von verwundeten Soldaten auf dem OP-Tisch. Ein Mann hat keine Augen mehr, einem anderen wurden beide Beine bis zu den Knien abgerissen. Doch heute geht es um die Verwundungen der Seele in Auslandseinsätzen: Im Berliner Bundeswehrkrankenhaus besuchte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) das neue Trauma-Zentrum und informierte sich über die Behandlungsmöglichkeiten Posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS). „Es ist von immenser Bedeutung, die Frage des Traumas und der Posttraumatischen Belastungsstörung aus dem Schatten der Aufmerksamkeit zu reißen“, sagte Guttenberg. „Wir müssen eine öffentliche Debatte wagen um eine Entstigmatisierung zu erreichen.“

Die Posttraumatische Belastungsstörung ist eine anhaltende Störung, die durch ein massiv belastendes Ereignis hervorgerufen wird. Durch Situationen, die außerhalb der normalen menschlichen Erfahrung liegen, wie Auslandseinsätze. Betroffene erleben immer wieder das Trauma in Flashbacks oder Albträumen. Erst 1990 wurden PTBS von der WHO offiziell als Krankheit anerkannt.

Von den 44 Stellen für Psychiater ist zurzeit nur etwa die Hälfte besetzt. Im Wettbewerb um Nachwuchs ist die Bundeswehr nicht der attraktivste Arbeitgeber. Und besonders die Auslandseinsätze schrecken ab.

Dabei steigt der Bedarf der Bundeswehr an Psychiatern mit der Zahl der Auslandseinsätze, bei denen es immer öfter zu Gewalterlebnissen kommt: Knapp zwei Drittel der im Berliner Bundeswehrkrankenhaus behandelten PTBS waren einsatzbedingt. 466 Soldaten wurden nach Bundeswehrangaben allein im vergangenen Jahr in Krankenhäusern der Bundeswehr wegen PTBS behandelt. 2008 waren es noch 245 Fälle. Viele Soldaten hätten Angst, stigmatisiert zu werden, daher sei die Dunkelziffer der Erkrankten hoch, sagte der Leiter des Forschungsbereiches im Berliner Bundeswehrkrankenhaus, Winfried Barnett. Dies wird derzeit zusammen mit dem Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München untersucht.

Therapie und Forschung sollen in dem neu gegründeten Trauma-Zentrum stärker verzahnt werden. Dazu wurde die bisherige Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie mit dem Fachbereich Psychische Gesundheit im Institut für medizinischen Arbeits- und Umweltschutz der Bundeswehr fusioniert. 45 Mitarbeitern sollen hier künftig Behandlungsmethoden entwickeln und evaluieren. Drei bis vier Millionen Euro soll die Spezialabteilung pro Jahr voraussichtlich kosten.

Die Hälfte der Soldaten komme gering oder unbelastet aus einem Einsatz zurück, erklärt Heinrich Müller, Regierungsdirektor des Sanitätsamtes der Bundeswehr. 22 Prozent werden als „Selbsterholer“ bezeichnet, die zu Hause schnell wieder ohne Probleme leben könnten. Die „Wechslergruppe“,16 Prozent, könnten nach einer Pause, bei guter Einbindung und Betreuung ebenfalls gut den Schritt zurück ins normale Leben schaffen. Zwölf Prozent der Soldaten gehören zur Risikogruppe, die eine PTBS entwickeln und professionelle Hilfe brauchen. Meist lägen in diesem Fall weitere Belastungen vor: „Sie führen einen seelischen Zwei-Fronten-Krieg“, erklärt Müller.

„Die Soldaten fühlen sich im Bundeswehrkrankenhaus verstanden und akzeptiert“, sagt Peter Zimmermann, Leitender Arzt des Trauma-Zentrums. Dies hätten auch die beiden aus Afghanistan zurückgekehrten Soldaten bestätigt, mit denen Guttenberg kurz sprach. Auch der Kontakt zu Kameraden, mit anderen Betroffenen sprechen zu können, helfe ihnen.

Im Umkehrschluss kann das Probleme bei der Arbeit von zivilen Psychiatern und Psychologen mit traumatisierten Soldaten machen: Sie kennen sich oft nicht aus mit deren Hintergründen und Erfahrungen. Man müsse sich aber auf das zivile Gesundheitswesen stützen, da die eigenen Kapazitäten nicht reichen, sagt der Generaloberstabsarzt Kurt-Bernhard Nakath. Notfälle können sofort behandelt werden – schon länger betroffene Soldaten müssen bis zu zwei Monate warten. Ein Fünftel der stationär behandelten Soldaten schieden aus dem Dienst aus – bei ambulant Behandelten sind es weit weniger.

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