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Politik: Bundeswehr: "Unzweifelhaft Schaden zugefügt"

Schwere Versäumnisse im Umgang mit stark strahlenden Radaranlagen muss sich das Bundesverteidigungsministerium nun auch von der zuständigen Bundeswehrkommission vorwerfen lassen. Der Arbeitsstab unter der Regie des Ex-Mitherausgebers der "Zeit", Theo Sommer, kommt nach sechsmonatiger Untersuchung zu dem Schluss, dass "in Einzelfällen Bundeswehrangehörigen, Soldaten und Zivilisten unzweifelhaft durch Röntgenstrahlen und Radargeräten gesundheitliche Schäden zugefügt" wurden.

Schwere Versäumnisse im Umgang mit stark strahlenden Radaranlagen muss sich das Bundesverteidigungsministerium nun auch von der zuständigen Bundeswehrkommission vorwerfen lassen. Der Arbeitsstab unter der Regie des Ex-Mitherausgebers der "Zeit", Theo Sommer, kommt nach sechsmonatiger Untersuchung zu dem Schluss, dass "in Einzelfällen Bundeswehrangehörigen, Soldaten und Zivilisten unzweifelhaft durch Röntgenstrahlen und Radargeräten gesundheitliche Schäden zugefügt" wurden. Damit bestätigte die Kommission Berichte des Tagesspiegel, wonach Geräte in den 60er und 70er Jahren längst nicht hinlänglich abgesichert waren. "Sicherheitsvorschriften wurden nicht immer ausreichend beachtet", heißt es in dem Sommer-Bericht.

Diese Versäumnisse waren Ursache für Krebs- und Immunschwächekrankheiten sowie Herzrhythmusstörungen. Der Tagesspiegel hatte aus internen Dokumenten der Bundeswehr zitiert, in denen vor überhöhten Strahlungswerten gewarnt worden war. Die Kommission stellt nun fest, dass trotz dieser Hinweise keine Maßnahmen zum Schutz jener Radarmechaniker ergriffen worden seien, die Wartungsarbeiten an geöffneten und laufenden Radargeräten vorgenommen hatten.

Viele der erkrankten Radartechniker sind inzwischen verstorben. Sie wurden zumeist nicht älter als 40 Jahre. Eine ebenfalls vom Ministerium in Auftrag gegebene Studie der Universität Witten-Herdecke berichtet von 99 Radarmechanikern, von denen 24 tot und 69 schwer krank sind. Der Bundeswehrverband, die "Gewerkschaft der Soldaten", und mehrere Selbsthilfegruppen gehen von bis zu 1000 Opfern aus. Sie bieten dem Ministerium einen außergerichtlichen Vergleich an.

Am Donnerstag will Verteidigungsminister Scharping (SPD) den Abschlussbericht der Sommer-Kommission vorstellen. Auch der Verteidigungsausschuss des Bundestages hatte ihn immer wieder gedrängt, die Fälle als Berufskrankheit anzuerkennen. Damit wäre der Weg frei für monatliche Zusatzrenten in Höhe von 230 bis 1156 Mark. "Die rot-grüne Regierung trifft nicht die Schuld daran, was früher versäumt wurde. Aber wir tragen heute die Verantwortung", sagt der Grünen-Abgeordnete Winfried Nachtwei. "Der Bericht stellt klar, dass das Gezerre ein Ende haben muss."

Bisher blieb Scharping hart. Nachdem er noch im Februar eine "großzügige Lösung" angekündigt hatte, legte er Berufung gegen ein Urteil ein, dass der Bundeswehr schwere Versäumnisse und fahrlässigen Umgang mit Röntgenstrahlung vorwirft. Dadurch verlängert sich der Prozess des schwer kranken 61-jährigen Klägers, der von 1970 bis 1992 in Radarwerkstätten defekte Anlagen reparierte, auf nunmehr acht Jahre.

Der Opposition im Verteidigungsausschuss platzte mit dem Bekanntwerden des Sommer-Berichts der Kragen. Die CDU-Abgeordnete Ursula Lietz sagte dem Tagesspiegel am Montag: "Uns wird Material vorenthalten. In dem Bericht stehen noch erschütterndere Fakten als bisher behauptet wird." Sie verlangt von Scharping, auf alle Berufungsverfahren zu verzichten und alle Fälle anzuerkennen, die bis in die 80er Jahre aufgetreten sind. Am Freitag wird der Berliner Anwalt Reiner Geulen an der Seite des "Bundes zur Unterstützung radargeschädigter Soldaten" und dem Gesundheits-Internetportal "Medicine worldwide" in Berlin weitere Entschädigungsforderungen bekanntgeben.

Claudia Lepping

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