zum Hauptinhalt
Ursula von der Leyen, Bundesverteidigungsministerin, am Donnerstag im Norden des Irak.

© dpa

Bundeswehr: Von der Leyen braucht den großen Wurf

In Deutschland den Rüstungsbereich zu leiten, ist nicht vergnügungssteuerpflichtig. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen steht vor einer schweren Aufgabe, will sie die Bundeswehr aus ihrem ewigen Unzustand herausführen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Seit so vielen Jahren ist es bekannt, seit Jahrzehnten schon – aber irgendetwas lähmt die Bundeswehr, das als richtig Erkannte auch richtig anzupacken. Sind es die vielen Personalwechsel, also nicht die in der Truppe, in den verschiedenen Verwendungen, die gehören bei Soldaten dazu, sondern die an der Spitze des Wehrressorts? Gut möglich.

Soldatisch gesprochen ist die „Stehzeit“ der Minister verdammt gering. Alle stoßen Neues an, oder vermeintlich Neues, setzen Schwerpunkte neu, ändern meistens auch die Bundeswehrplanung – und am Ende ihrer Amtszeit ist diese Planung wieder überholt. Planungssicherheit kann so nicht entstehen. Das Fatale daran ist, dass man die Auswirkungen nicht gleich sieht, sondern immer zeitversetzt. Was getan oder unterlassen wurde, kommt in Zyklen auf die Truppe nieder.

Insofern ist es schon gut, dass die gegenwärtige Amtsinhaberin Ursula von der Leyen versucht, einen Status herzustellen, um zu sehen, wo was fehlt oder zu teuer ist oder nach- oder umgesteuert werden muss. Den Rüstungsbereich zu leiten, ist nicht vergnügungssteuerpflichtig. Immer läuft ein Projekt aus dem Ruder, geradezu zwangsläufig, es ist immer nur die Frage, wann. Fast immer sind auch die Kosten vorher viel zu niedrig angesetzt, so dass sich nachher alle wundern, wie man überhaupt so rechnen konnte. Aber dafür gibt es ja jetzt eine Controllerin, und die wird sich einen Überblick verschaffen, unbeeinflusst, wollen wir hoffen, von außen.

Wer Rüstung braucht und anschafft, muss mit den Unternehmen reden. Denen Grenzen zu setzen, ihrem Werben nicht zu unterliegen, ihnen deutlich zu machen: Wer die Musik bestellt und bezahlt, sagt, was sie spielt – das ist in den vielen Jahren wenigen gelungen.

Die Bundeswehr bekommt nicht mehr Geld, sondern weniger

Ja, seit Jahrzehnten wissen die kundigen Thebaner, dass die Bundeswehr nicht mehr Geld bekommen wird, sondern tendenziell eher weniger. Wenn die Bundeswehr ihren Etat, der schon zu den größten zählt, hält, ist es schon ein Erfolg für sie. Also was muss die logische Konsequenz sein? Modular zu planen. Das bedeutet, dass klare Schwerpunkte gebildet werden und der Restaufwand sich danach bestimmt, ob Geld und Wille des Parlaments dafür da sind. Es kann nicht alles gleichermaßen geleistet werden, wie auch ein Flugzeug niemals eine eierlegende Wollmilchsau sein konnte. Einzelne Bereiche ganz sein zu lassen, darf aber nicht zur Folge haben, dass die Einsatzbereitschaft quasi zusammenbricht. Deshalb – modular.

Daneben ist es allerhöchste Zeit, an das zu gehen, was man unter europäischer Integration summieren könnte. Nicht dass gleich eine europäische Armee entsteht, aber dass sich die Mitgliedstaaten der Nato in Europa darauf verständigen, welche Nation welche Aufgaben übernimmt – das ist ein realistischer Ansatz, war er immer. Da könnte die Bundeswehr zum Beispiel den Bereich Sanitätswesen und (Truppen-)Transport übernehmen. Das macht sie international sowieso schon ganz gerne, weil es Kampfeinsätze der anderen Art erspart. Dann aber muss die Armee auf diesem Feld instand gesetzt werden. Und sie muss verlässlich operieren bei Anfragen der Verbündeten. Wie das auch umgekehrt gilt.

Das wäre ein Wurf, ein ziemlich großer, heraus aus dem ewigen Unzustand der Bundeswehr. Und das ist das, wofür sich die ehrgeizige Ministerin Ursula von der Leyen jetzt qualifizieren muss. Das wird von ihr erwartet, dringend. Sonst war ihr Satz vom Heraushalten, das keine Option ist, auch nur ein Satz und kein Kanzlerkandidatenprogramm.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false