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Merkel

© ddp

Bundeswehreinsätze: "Sicherheit" als Strategie für die neue Nato

Merkel lobt die Leistung der Bundeswehr in Afghanistan. Viele Soldaten sind jedoch traumatisiert.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Frage an den Wehrbeauftragten: Reicht das aus, was die Bundeswehr für ihre im Einsatz, in Kämpfen und bei Anschlägen traumatisierten Soldaten tut und tun will? „Nein“, sagte Reinhold Robbe. Es ist die einzige knappe Antwort, die der Beauftragte des Bundestages am Mittwoch bei der Vorstellung seines Jahresberichts 2008 gibt. Man kann das als Indiz für die Dringlichkeit werten, die der SPD-Abgeordnete dem Thema einräumt. Tatsächlich ist das Problem für die Bundeswehr zwar relativ neu, aber zunehmend drängend. Immer mehr Soldaten kommen aus dem Einsatz mit psychischen Störungen zurück – die Zahl stieg von 218 registrierten Fällen 2006 bis auf 419 im letzten Jahr. Immer mehr von ihnen leiden sogar unter einem Posttraumatischen Belastungssyndrom (PTBS) – die Zahl hat sich in den letzten drei Jahren von 83 auf 254 verdreifacht.

Hinter dem umständlichen Namen verbergen sich schwerste psychische Probleme von Soldaten, die mit schrecklichen Erlebnissen im Einsatz nicht fertig werden. Robbe mahnt eine „umfassende Rundumbetreuung“ von der Vorbereitung auf Schocksituationen bis zur Nachbetreuung an. Notwendig sei ein eigenes Zentrum, das eigenständig arbeiten und nach eigenem Ermessen statt nach Stellenplänen von Bundeswehr-Bürokratien seinen Behandlungsstab aufbauen müsse.

Die wuchernde Bürokratie in Uniform gehört in Robbes Mängelbericht ohnehin zu den Dauerbrennern, ebenso wie die Probleme des Sanitätsdienstes, gute Mediziner zu halten und anzuwerben. Allerdings bezieht sich das einstweilen nur auf den Heimat-Dienst – im Einsatz sei die Sanitätsversorgung trotz hoher Belastung auch dieser Mediziner bisher dem Anspruch gewachsen. Ohnehin stimmt Robbe in pauschale Klagen über schlechte Ausrüstung nicht ein: So fehle es auf den deutschen Truppenübungsplätzen an gepanzerten Übungsfahrzeugen, doch draußen die Truppe in Afghanistan und auf dem Balkan sei damit „einigermaßen gut ausgestattet“.

Die wenig spektakuläre Problembilanz des Wehrbeauftragten passt gut zu der politischen Zwischenbilanz, die am gleichen Tag Kanzlerin Angela Merkel im Bundestag zieht. In einer Regierungserklärung zum Nato-Gipfel in einer Woche bekräftigt Merkel, dass sich die Deutschen mit ihren Leistungen in Afghanistan seit 2002 „wirklich sehen lassen“ könnten. „Ich werde das beim Gipfel mit allem Nachdruck vorbringen“, kündigt sie an. Vorsichtig begrüßt sie, ohne das Wort in den Mund zu nehmen, den neuen Kurs von US-Präsident Barack Obama, mit gemäßigten Taliban ins Gespräch zu kommen. Vorsicht liegt auch in der Beschreibung dessen, was in Afghanistan überhaupt erreichbar ist: „Von Afghanistan darf nicht wieder eine terroristische Bedrohung für uns, für die Nato-Partner ausgehen.“ Der Maßstab des Erfolgs heiße „Sicherheit“ – dahinter steht unausgesprochen der Abschied von vielen Heile-Welt-Zielen der ersten Jahre.

„Sicherheit“ ist auch Merkels zentrales Stichwort für die neue Strategie der Nato, die der Jubiläumsgipfel in Straßburg und Baden-Baden beschließen soll. Das Bündnis müsse „die Sicherheit der Partner“ garantieren – was zwar Einsätze außerhalb der Bündnisgrenzen erfordern, aber nicht zu einer Weltpolizei- Funktion führen könne. „Ich sehe keine globale Nato“, betont die Kanzlerin. Dass sie von neuen Aufgaben wie Energie- und Rohstoffsicherung auch nicht spricht, mag ja Zufall sein.

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