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Verteidigungsminister Thomas de Maizière erklärt die Notwendigkeit der Bundeswehrreform.

© dapd

Bundeswehrreform: De Maizière: "Es gibt gravierende Mängel"

Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat in Berlin seine Reformpläne vorgestellt und die machen eines deutlich: Für die Bundeswehr geht es ans Eingemachte.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) versuchte es ein wenig in Understatement. Die Neuausrichtung der Bundeswehr sei "historisch nicht einmalig", weil auch schon zu früheren Zeiten Reformen durchgeführt worden seien. Das ist sicher richtig. Nur diese Reform ist anders, sie geht tiefer in die Innereien der Truppe - und des Ministeriums. Den Grund dafür liefert de Maizière in einer nüchternen aber pointierten Lageanalyse. "Es gibt gravierende Mängel", sagte de Maiziére bei der Vorstellung der Neuausrichtung der Bundeswehr in der Berliner Julius-Leber-Kaserne. Die Menschen in der Bundeswehr würden gute, zum Teil hervorragende Arbeit leisten. Auch sei die Bundeswehr im Ausland hoch angesehen. Aber sie verfügt nicht mehr über die Mittel, die nötig wären, um die gesetzten Ziele zu erreichen und die Aufgaben vor allem auch im internationalen Bereich zu erreichen. Sei sei strukturell unterfinanziert. Übersetzt heißt das: Die Bundeswehr wird gestrafft und umgebaut. Zu groß sind die Baustellen.

Die Zahl der Soldaten soll von derzeit 220.000 auf 175.000 bis 185.000 verkleinert werden. Von den 76.000 zivilen Stellen sollen nur noch 55.000 übrig bleiben.

Von diesen 175.000 Soldatinnen und Soldaten sollen 170.000 Zeit- und Berufssoldaten sein. Hinzu kommen 5000 Freiwillige. Diese Zahl ist politisch besonders interessant. Denn sein Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) war da deutlich euphorischer - er ist noch von 15.000 Freiwilligen ausgegangen. Sollten es doch mehr werden, wird de Maizière nichts dagegen haben und das ganze dann als kleinen politischen Erfolg verbuchen. "Wir freuen uns, wenn es mehr werden", sagte de Maizière.

Trotzdem hat de Maizière Guttenberg in seiner Rede explizit erwähnt. Er habe das Projekt "entschlossen angestoßen". Das bleibe sein Verdienst, sagte de Maizière, der sich in Stil und Ton dennoch von seinem Vorgänger unterscheidet.

10.000 Soldatinnen und Soldaten sollen zeitgleich für Einsätze zur Verfügung stehen. Zurzeit sind 6955 Bundeswehrsoldaten in Auslandseinsätzen aktiv. Damit könnte Deutschland parallel an zwei großen internationalen Einsätzen teilnehmen. Große Einsätze sind in der Regel Missionen mit 30.000 bis 50.000 Einsatzkräften.

Aber nicht nur die Truppe wird verkleinert auch im Ministerium selbst soll gespart und Stellen gestrichen werden. Von rund 3600 Bediensteten soll die Zahl auf rund 2000 reduziert werden. "Wir haben für die Zahl unserer Aufgaben zu viele Stäbe" und zu viele Führungspositionen. Es gebe zu viel Aufsicht über zu wenig Arbeit. Verantwortung werde zu oft geteilt, zwischen den Hierarchien verschoben oder verweigert. "Wir haben zu viele Vorschriften und zu wenig Entscheidungen ohne Vorschrift." Dies gelte sowohl für das Ministerium wie auch für die zivile Verwaltung. "Diese Lage erfordert Veränderung und zwar von allen", sagte de Maizière.

De Maizière begründete die Neuausrichtung auch damit, dass wie jede Großorganisation auch die Bundeswehr im Lauf der Jahre "unbeweglich" geworden sei. Und er ist sicher, dass dies auch nicht die letzte Reform war. "Es kann nie die fertige Bundeswehr geben", sagte der Verteidigungsminister. Schließlich sei die Aufgabe der Bundeswehr auch Unsicherheiten zu begegnen - "und die Zukunft ist unsicher", sagte de Maizière, der auch betonte, dass "Sicherheit die erste Staatsaufgabe ist". Aber das kostet Geld und deshalb müsse man sich auf das Notwendige konzentrieren. An dieser Stelle wurde de Maizière besonders vorsichtig, sogar so sehr, dass er betont an dieser Stelle lieber vom Blatt abzulesen. Der Minister sagte, Belastungen des Verteidigungshaushaltes, die durch die notwendige Neuausrichtung der Bundeswehr entstünden, sollten vermieden werden. Was das im Detail heißt, verriet er nicht, sondern verwies auf die Vorstellung des Bundeshaushalts im Juli.

Bei der Vorstellung der neuen verteidigungspolitischen Richtlinien war besonders auffällig, wie de Maizière den Bundeswehreinsatz auch dann befürwortet, wenn nicht unmittelbar deutsche Interessen betroffen seien. Für andere demokratische Nationen sei das längst als Teil internationaler Verantwortung selbstverständlich, sagte er. Wenn Wohlstand Verantwortung erfordere, dann müsse das auch für die deutsche Sicherheitspolitik gelten. "Ich werbe dafür, dass wir auch unter diesem Gesichtspunkt die Anfragen nach Einsätzen beantworten."

Die Standortfrage beantwortete de Maizière zurückhaltend. Erst im Herbst solle entschieden werden, welche Standorte geschlossen werden sollen. Eine Konzentration auf wenige große Einzelstandorte lehnte er aber bereits ab. Entsprechende Vorschläge seien zu weitreichend und nicht sinnvoll, sagte de Maizière. Nahezu abgeschlossene Großstandorte mit eigener Infrastruktur und Freizeiteinrichtungen wie es sie etwa bei den US-Streitkräften gebe, strebe er nicht an. „Dies erhöht nicht die Integration von Soldaten in die Gesellschaft.“ Unter anderem müssten der Zustand der Standorte und die möglichen Verlagerungskosten berücksichtigt werden.

Auch die Frage nach einer Schließung des Ministeriumsstandorts Bonn ließ de Maizière weitgehend offen. Er verwies auf die Zahl der Mitarbeiter im Ministerium, die von rund 3500 auf etwa 2000 gesenkt werden soll. Wenn es dann Handlungsbedarf gebe, werde er diesen zunächst innerhalb der Bundesregierung und mit Persönlichkeiten aus den betroffenen Regionen erörtern, sagte der Verteidigungsminister.

Das Kabinett, in dem am Mittwoch erstmals Philipp Rösler (FDP) als neuer Vizekanzler neben Angela Merkle Platz genommen hat, billigte die Reform am Vormittag. Bereits in den kommenden Wochen sollen die ersten Reformmaßnahmen umgesetzt werden. Vor allem die Umstrukturierungen im Ministerium sollen schnell voran gehen, auch weil das Ministerium eine Vorreiterrolle hat. Die zentralen Projekte der Reform sollen in den nächsten zwei Jahren angegangen werden.

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