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Politik: Bunte Republik Deutschland

Junge begabte Migranten treffen den Bundespräsidenten – sie erzählen Erfolgsgeschichten, aber auch Geschichten von Ausgrenzung

Sind schlechtere Lehrer die besseren? Wer diese Woche mit dem Bundespräsidenten und seinen Gästen, dreißig jungen Migranten, zusammensaß, konnte diesen Eindruck bekommen. Auf die Frage, was sie am meisten motiviert hat, gab etwa ein halbes Dutzend dieselbe Antwort: Es waren ihre Lehrer. Und zwar nicht die, die sie förderten und an sie glaubten – alle sind Schüler mit guten und besten Noten oder studieren mit einem Begabtenstipendium –, sondern die, die ihnen nichts zutrauten, die Gymnasialempfehlung verweigerten, bei denen Türken, Russen, Chinesen nie drankamen, wenn die Deutsch-Hausaufgaben vorgelesen wurden. Gleich die Erste, Köhlers Nachbarin am runden Tisch, die 18-jährige Ümmühan Cifci aus Kassel, erklärt ihren Ehrgeiz so: „Meine Lehrerin in der vierten Klasse sagte: Du gehörst nicht aufs Gymnasium. Der wollte ich es zeigen.“ Cifcis letztes Zeugnis hatte den Notendurchschnitt 1,3.

Aber natürlich werden in Schloss Bellevue auch schönere Geschichten erzählt: Von Förderklassen ist die Rede, die gut funktionierten, von älteren Mitschülern, die kostenlos Nachhilfe gaben. Ein 17-jähriger Türke schwärmt von seinen „extrem guten Lehrern“ an der Realschule. Abdel-Latif Arouna (17), der in Togo geboren wurde, begann nicht nur zu joggen, um sein Übergewicht loszuwerden, sondern dachte beim Laufen auch über sich nach. Danach hatte er keine Lust mehr auf die Bandenkriege an der Schule, hier die Deutschen, dort die Ausländer. Und die 20-jährige Jurastudentin Fatos Cali, Einserabiturientin und eine von zwei Kopftuchträgerinnen beim Schlossgespräch, sagt, sie sei doppelt dankbar: „meinen Eltern und meinem Glauben, der mich immer gestärkt hat.“

Überhaupt, die Eltern: Als der Bundespräsident fragt, ob sie denn alle deren Unterstützung hätten, sagt nur einer Nein. Aber auch die glücklichen Familiengeschichten sind oft tragisch: Die Familie der 16-jährigen Adna Hasanagic floh vor 14 Jahren aus Banja Luka nach Bielefeld. Die Abschlüsse der Eltern, beide Ökonomen, wurden nicht anerkannt, der Mutter blieb der Haushalt, der Vater wurde Lagerarbeiter. „Sie haben uns alles gegeben“, sagt Adna. „Das ist meine größte Motivation.“ Die 18-jährige Weißrussin Natalja kam mit ihrem Vater nach Bayern. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. „Damit ich hierbleiben konnte, musste er ausreisen. Das war nicht leicht.“

Überhaupt, Deutschland: Sie alle sind froh über ihre Chancen hier, taten alles, um Deutschland, die Deutschen kennen- und Deutsch zu lernen, sich „anzupassen“, wie Abdel-Latif aus Togo sagt. „Das ist das Wichtigste. Aber es funktioniert nur, wenn die Deutschen das auch wollen.“ Zu oft, das ist die Erfahrung der meisten im Saal, wollen die aber nicht. Der Bundespräsident will. Er werde „einen Beitrag leisten, dass Sie sich hier willkommen fühlen“, denn: „Sie alle sind ein Schatz, den zu pflegen und zu heben Deutschland gut beraten ist.“

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