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Merkel und Bush in Meseberg

© A3464 Rainer Jensen (dpa)

Bush-Besuch: Wo die Blumen sind

Ein Schloss, Sommerwiesen und Sonnenschein: Meseberg sollte keinen Grund für Verstimmungen bieten – trotz Irak, Iran, Klima. Und George W. Bush hatte bei seinem Abschiedstreffen mit Angela Merkel eine für ihn neue Rolle: die des Zuhörers.

Von Hans Monath

Der Gedanke gefällt George W. Bush nicht, dass sich den Deutschen ein falsches Bild von ihm in die Erinnerung einbrennen könnte – und das ausgerechnet bei seinem letzten Besuch. Deshalb geht der amerikanische Präsident von sich aus in die Offensive. Er will etwas klarstellen.

Pressekonferenz im Hof von Schloss Meseberg, dem frisch renovierten Gästehaus der Bundesregierung in Gransee, nördlich von Berlin. Nein, es geht Bush an diesem Mittwochnachmittag unter den schnellen Wolken von Brandenburg nicht zuerst um den Irakkrieg, der wird gleich noch angesprochen werden, nicht um Guantanamo, nicht um Abu Ghraib, nicht um „alle Optionen“ – also auch die kriegerische – im Atomstreit mit dem Iran.

„Alle deutschen Journalisten, die behauptet haben, ich würde keinen Spargel mögen, haben Unrecht“, sagt der Gast im blauen Anzug, wiegt den Kopf mit zusammengekniffenen Augen über der gestreiften Krawatte schnell hin und her und breitet dann kurz die Arme aus: „Deutsche Spargel sind phänomenal.“

Brandenburger Spargel mit Schnitzel und Erdbeeren hat die deutsche Kanzlerin dem Präsidenten und seiner Ehefrau Laura am Dienstagabend servieren lassen. Dafür dankt Bush auch im Namen der Gattin und nennt das Schloss Meseberg ein „wunderbares Haus am See“, das ihm gut gefallen habe.

Auch wenn die Klarstellung mit dem Spargel scherzhaft gemeint klingt, dürfte sie doch einen ernsten Kern haben: Keine Dissonanz soll den Eindruck der Harmonie zwischen zwei Politikern trüben, die immer gut miteinander ausgekommen sind und das deutsch-amerikanische Verhältnis nach den Brüchen und Verletzungen im Streit zwischen der rot-grünen Berliner Regierung und Bushs Washington um den Irakkrieg wieder auf ein festes Fundament gestellt haben. Als die beiden vor die Kameras treten, wirkt es, als hätten sich selbst ihre Stylisten abgestimmt: der Präsident im blauen Anzug und hellblauen Hemd, die Kanzlerin im gedeckt-blauen Blazer – ein Bild der Eintracht.

Vom Schlosshof in Meseberg geht der Blick über einen Kirchturm, sommerlich-trockene Wiesen und ferne Hügel mit frischem Laub. Weder die Bundesregierung noch der Gast müssen unliebsame Demonstranten fürchten, die den unfreundlichen Gefühlen mancher Deutscher gegenüber Bush Ausdruck geben könnten. Die ganze Region gleicht einer Leistungsschau deutscher Sicherheitskräfte unter Idealbedingungen und bei schönstem Sonnenschein. In jedem Feldweg und hinter vielen Hecken ducken sich Mannschaftstransporter in Blau oder Grün, über die Alleen rasen Polizeimotorräder mit Martinshorn und Blaulicht. Wenn Demonstranten versuchen würden, in die Nähe des Tagungszentrums zu kommen: Sie hätten keine Chance. Aber wahrscheinlich hat inzwischen sogar die militante Linke Deutschlands ihren einstigen Lieblingsfeind aus dem Weißen Haus längst abgeschrieben.

So wie übrigens auch ein Teil der US-Medien. In Amerika gilt Bush schon lange als „lame duck“, als Präsident ohne Handlungsmacht und ohne neue Projekte, der nur noch das Amt verwaltet, bis dann Barack Obama oder John McCain im Januar die Geschäfte übernimmt. Normalerweise, wenn der mächtigste Mann der Welt auf irgendeinem Kontinent vor die Presse tritt, erkämpft sich die „White House Press“ mit aggressiven Methoden die Plätze in den ersten Reihen und bombardiert den Amtsinhaber ohne Rücksicht auf das Gastgeberland mit Detailfragen zur amerikanischen Innenpolitik. Vor dem Schloss Meseberg aber ist alles anders: Ein Großteil der US-Korrespondenten hat Bushs Abschiedsreise durch Europa entweder so weit wie möglich ignoriert oder ist zumindest an diesem Mittag in Berlin geblieben, um ihn von dort aus zu seiner nächsten Station nach Rom zu begleiten. Und so klaffen in den zwölf Reihen von Pressestühlen viele Lücken, die letzten sind völlig unbesetzt. Und selbst bei den anwesenden US-Journalisten ist von Bissigkeit an diesem schönen Tag nichts zu spüren.

Dafür versucht es ein deutscher Pressevertreter. Er erinnert daran, dass sogar renommierte CDU-Außenpolitiker, die gern als treueste Transatlantiker der deutschen Politik auftreten, nun erklären, dass sie George W. Bush wirklich nicht vermissen werden. Ob denn die Kanzlerin ihn vermissen werde? Da verzieht Angela Merkel das Gesicht, auch durch den Körper von Bush geht ein kleiner Ruck, als der Übersetzer die Spitze ins Amerikanische übertragen hat. Eine direkte Antwort gibt die Kanzlerin aber nicht, sie weiß zu genau, wie unbeliebt der Herr des Irakkrieges in Deutschland ist. Stattdessen redet sie von Beziehungen, die „freundlich, direkt und sehr konstruktiv“ seien. Dann verweist sie noch darauf, dass der Gast doch gerade erklärt habe, er wolle bis zum letzten Tag im Amt arbeiten. Und deshalb stünden ihr und Bush „noch viele gemeinsame Diskussionen“ bevor. Mehr gibt es nicht.

Der Gast hingegen lobt die Deutsche auffällig offensiv. Ihre „Führungskraft“ beispielsweise preist er gleich mehrmals. An „Madame Chancellor“ imponierten ihm deren Erfahrungen mit dem Kommunismus: „Ich danke für Ihre Freundschaft.“ Die Kanzlerin hat sich auch Mühe gegeben mit der Vorbereitung des Besuchs, der als Gegeneinladung für den Besuch auf Bushs „Prairie Chapel Ranch“ in Crawford, Texas, gilt. Auch Merkels Mann Joachim Sauer ist am ersten Abend mit nach Meseberg gekommen. Der Humboldt-Uni- Professor macht sich in der Politik sonst gerne rar. Und Bush erhält am zweiten Tag seines Aufenthalts in Meseberg sogar Gelegenheit, aufs Mountainbike zu klettern und, gut mit Helm beschützt, inmitten von deutschen und amerikanischen Bodyguards ums Schloss zu kurven.

Das Schlösschen ist zwar nicht Merkels Privathaus, aber doch ein abgeschiedener Ort. „Wenn man in Texas jemanden zu sich nach Haus einlädt, bedeutet das Wärme und Respekt“, sagte Bush im vergangenen Jahr bei Merkels Besuch. Im Vergleich zu solchen klaren Zeichen von Wertschätzung klingt die deutsche Gastgeberin in ihrer Einschätzung der Beziehung zu Bush schon fast distanziert.

Es ist nicht zu verstehen, was Merkel und Bush besprechen, während sie an Blumenrabatten und barocken Säulen mit Vasen vorbeischlendern. Nur das Knirschen der Schuhe auf dem Kies ist zu hören. Aber auch die Gestik ist beredt: Bush lauscht passiv, die Hände oft vor dem Schoß verschränkt. Die Handflächen der Kanzlerin arbeiten unentwegt, zerhacken die Luft, bekräftigen Argumente, wahrscheinlich zu ihren Themen, zur Klimapolitik, zum Nahen Osten oder zum iranischen Atomkonflikt.

Die großen Bäume, unter denen die beiden Politiker entlangschlendern, reckten sich schon in den Himmel, als die beiden nicht geboren waren. Der Schlosspark mit den geraden Wegen wurde im 18. Jahrhundert angelegt – etwa zu der Zeit, da sich die amerikanische Demokratie im Unabhängigkeitskrieg gegen England durchsetzte und dann in der Verfassung jene Werte festschrieb, aus denen Amerikaner heute noch die Aufgabe zum Export der Demokratie in alle Welt ableiten. Die meisten der Bäume werden auch noch stehen, wenn George W. Bush längst nicht mehr ist und in den Geschichtsbüchern Amerikas und Europas das Urteil über sein Wirken als Präsident festgeschrieben ist.

Amerikanischen Beobachtern ist längst aufgefallen, dass Bush offenbar über seinen eigenen Platz in der Geschichte nachdenkt und immer häufiger historische Vergleiche bemüht. „Wenn die Geschichtsbücher geschrieben werden, werden sie zeigen, dass die Freiheit gesiegt hat“, hat Bush im vergangenen Monat verkündet. Von Selbstzerknirschung angesichts einer vernichtenden Bilanz ist jedenfalls bei Bush nichts zu spüren. Im Gegenteil: Auch seine Vertrauten erleben ihn als einen, der trotz desaströser Umfragewerte im eigenen Land und weltweiter Wut ganz mit sich im Reinen ist.

Auch im gepflasterten Hof von Schloss Meseberg bekräftigt Bush auf eine Frage, was er am Irakkrieg bereue, seine Überzeugung: „Ich bereue es überhaupt nicht.“ Zwar möge er keinen Krieg, sagt er, wippt mit dem rechten Fuß hinter dem Pult, aber die Welt ohne Saddam Hussein sei nun einmal eine bessere Welt.

Der Präsident mag sechs Monate vor dem Ende seiner Amtszeit schon beschäftigt sein mit der Suche nach historischer Gerechtigkeit, wie er sie versteht. Doch Entscheidungen werden nach 20 Stunden, zwei Essen und Gesprächen mit Kanzlerin und am Mittwoch auch mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier nicht verkündet. Selbst die Rede zum 60. Jahrestag des Marshallplans hat er nach Paris verlegt.

Kurz nach zwei bringt Merkel ihren Gast zum Landeplatz. Der steigt in den bulligen Hubschrauber „Marine One“. Dann schraubt sich die Maschine in die Höhe und fliegt über Brandenburgs Felder und Wälder davon. Zurück bleiben die Kanzlerin und ein Land, in dem George W. Bush nur noch wenige Freunde hat.

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