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Politik: Bush verordnet Milde

US-Präsident bewahrt Cheneys Ex-Stabschef Libby vor einer 30-monatigen Gefängnisstrafe

In einem beispiellosen Akt der US-Justizgeschichte hat Präsident George W. Bush dem zu 30 Monaten Gefängnis verurteilten Lewis Libby, Ex-Stabschef des Vizepräsidenten Dick Cheney, die Haft erspart, kurz bevor der sie antreten musste. Er schreckte aber vor einer vollen Begnadigung zurück. Die 250 000-Dollar-Geldstrafe und die Bewährungsauflage von zwei Jahren bleiben bestehen. Die Strafmilderung löste scharfe Kritik der Demokraten aus: Bush habe aus politischen Motiven in die Strafjustiz eingegriffen. Ihr Aufschrei fiel jedoch weniger vehement aus als erwartet, da Bush auch sie mit dem gewählten Weg – Milde, aber keine Gnade – überraschte. Unter Bill Clinton gab es fragwürdige Begnadigungen von Freunden, doch erst nach Strafantritt.

Bush stand unter großem Druck beider Parteien. Die Republikaner sehen in Libbys Verurteilung die politische Bestrafung eines tadellosen Staatsdieners und hatten die Begnadigung verlangt. Für die Demokraten ist Libby das umgekehrte Symbol: Wenigstens ein Regierungsmitglied soll stellvertretend für die Lügen um den Irakkrieg büßen. In Umfragen sprachen sich 70 Prozent der Befragten gegen eine Begnadigung Libbys aus. Die Medien analysieren: Der Verzicht auf Milde hätte Bush bei den letzten Anhängern geschadet, bei den Gegnern aber nicht genützt.

Im öffentlichen Bild hat sich der Fall längst von den Fakten gelöst. Ausgangspunkt war die Enttarnung der CIA-Angestellten Valerie Plame im Juni 2003 – kurz nachdem ihr Ehemann, Sonderbotschafter Joseph Wilson, einen der Kriegsgründe in der „New York Times“ in Zweifel gezogen hatte: Saddam Hussein versuche, Nuklearmaterial in Niger zu kaufen.

Die Enttarnung von CIA-Angehörigen ist strafbar, Bush ordnete eine Untersuchung an – offenbar ohne zu ahnen, dass Spuren in das Büro seines Vize Cheney führen, der hemmungslos Kriegsgründe gegen Saddam zurechtbog. Im Rückblick war die Enttarnung Plames, deren CIA- Karriere endete, ein Racheakt der Kriegspartei gegen Wilson. Doch Libby, der als Einziger verurteilt wurde, war nicht der Urheber. Der Erste, der Plames Identität den Medien verriet, war, wie man heute weiß, Richard Armitage, der Vize des damaligen Außenministers Colin Powell.

Libby wurde auch nicht wegen Geheimnisverrats verurteilt, sondern wegen Belügens eines Untersuchungsausschusses, Behinderung der Justiz und Meineids. Aus Sicht der Republikaner wurde er zum Opfer des ehrgeizigen Sonderstaatsanwalts Patrick Fitzgerald, der eine Verurteilung brauchte, um seine viele Millionen Dollar teure Untersuchung zu rechtfertigen. Libbys Erinnerungslücken in den Anhörungen seien nicht böse Absicht gewesen, sondern das Ergebnis der Belastung eines Mannes mit einer 100-Stunden-Arbeitswoche im Zentrum der Macht, sagen seine Freunde.

Bushs Strafmilderung kam, drei Stunden nachdem ein Obergericht Libbys letzte Rechtsmittel gegen das Antreten der Haftstrafe abgelehnt hatte. Er akzeptiere den Schuldspruch der Geschworenen, schreibt Bush, halte aber 30 Monate Gefängnis für „exzessiv“. Libby sei mit der Geldstrafe, dem Verlust seines Jobs und der Beschädigung seiner Reputation mehr als genug bestraft. Nach Medienberichten darf Libby wegen der Bewährungsauflage seinen Beruf als Rechtsanwalt vorerst nicht ausüben.

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