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Politik: Bush vor dem Kongress: Ernst, entschlossen, gereift

Es war seine bisher wichtigste - und seine beste Rede. Daran besteht, einen Tag nach dem Auftritt von George W.

Es war seine bisher wichtigste - und seine beste Rede. Daran besteht, einen Tag nach dem Auftritt von George W. Bush im amerikanischen Kongress, kein Zweifel. Der Präsident wirkte ernst, entschlossen, erstaunlich schnell gereift in den vergangenen Tagen. Da war keine Spur mehr von dieser aus Nervosität und Unsicherheit resultierenden Flapsigkeit, die ihn in der Zeit vor den Terror-Anschlägen gekennzeichnet hatte. Keine Spur mehr von jenem Grinsen und Zublinkern, das ihn oft wie einen Jungen hatte wirken lassen. All das war wie weggeblasen, als Bush am Donnerstag vor beide Häuser des Kongresses trat. In einer konzentrierten Rede erklärte er dem Netzwerk der global operierenden Terroristen den Krieg, stellte deren Helfern ein zeitlich unbefristetes Ultimatum, teilte die Welt in Gut und Böse, plädierte für Toleranz und Geduld.

Zum Thema Online Spezial: Terror gegen Amerika Umfrage: Haben Sie Angst vor den Folgen des Attentats? Fotos: Die Ereignisse seit dem 11. September in Bildern Fahndung: Der Stand der Ermittlungen Osama bin Laden: Amerikas Staatsfeind Nummer 1 gilt als der Hauptverdächtige Chronologie: Die Anschlagserie gegen die USA Eine Arbeitsteilung wie in Deutschland - ein eloquenter Präsident für die Rhetorik, ein zupackender Kanzler für die Taten - kennt Amerika nicht. Bush muss beides sein: das Oberhaupt der Regierung und das Oberhaupt der Nation. Das erklärt, warum er in gefühlsaufgeladenen Zeiten wie diesen nicht trocken, kühl und technisch wirken darf. Er muss etwas Pathos in die Stimme legen, die Herzen der Menschen erreichen, Dinge vereinfachen und trotzdem die richtige Botschaft vermitteln. Er muss Prediger sein und oberster Politiker.

Etwa eine halbe Stunde dauerte der immer wieder von stehendem Applaus unterbrochene Auftritt des Präsidenten. Alle Vertreter des amerikanischen Volkes versammelten sich an diesem Abend zu einer Demonstration der Geschlossenheit. Dabei war es nur zehn Monate her, dass Demokraten aus Protest gegen den Ausgang der Präsidentschaftswahl den Saal verlassen hatten. Am 27. Februar schließlich, als Bush seinen ersten Bericht zur Lage der Nation gab, hatte es noch Buhrufe und Zischeleien gegeben. Und diesmal? "Wir werden nicht ruhen, wir werden nicht zögern, wir werden nicht versagen", rief Bush den begeisterten Abgeordneten zu. Nicht mehr Trauer, Angst und Wut spiegelte sich in deren Gesichtern, sondern nur noch eins: Entschlossenheit.

"Jedes Land, in jeder Gegend dieser Welt, muss sich jetzt entscheiden", sagte Bush. "Entweder steht es an unserer Seite oder an der Seite der Terroristen." Ein Drittes gibt es nicht in diesem Kampf "der Freiheit gegen die Angst". Wirklich konkret wurde der US-Präsident freilich nicht. Weder äußerte er sich über den Zeitpunkt des Kriegsbeginns noch über die Art der Kriegsführung oder über die Frage, ob die "lange Kampagne" eher ein Jahr oder zehn Jahre dauert. Die markigen Worte sollten auch verdecken, wie viel Unwägbarkeiten es noch gibt.

Eine davon ist die Möglichkeit einer zweiten Terrorwelle. Das Kapitol glich am Donnerstagabend einer Festung. Im weiten Umkreis wurde jeder Passant kontrolliert, Suchhunde schnüffelten die Umgebung ab, Vizepräsident Dick Cheney hielt sich aus Sicherheitsgründen an einem anderen, unbekannten Ort auf. Das Ziel der Terror-Attacken - die USA zu einem massiven, undifferenzierten Gegenschlag zu provozieren, um sich anschließend der Solidarität vieler Araber zu vergewissern - hat Osama bin Laden verfehlt. Jedenfalls vorläufig. Sollte ihm indes ein zweites Attentat gelingen, würde der Vergeltungsdruck auf den US-Präsidenten fast unerträglich steigen. "Ich bitte Sie um Ruhe und Geduld", bat Bush seine Zuhörer eindringlich, "selbst im Angesicht der fortgesetzten Bedrohung." Besonders wichtig war es ihm, um Toleranz gegenüber dem Islam zu werben. Die Gebete nach den Attentaten wurden "in Englisch, Hebräisch und Arabisch" gehalten, sagte er. Amerika habe "viele moslemische Freunde" und "viele arabische Freunde". Der Kampf richte sich ausdrücklich nicht gegen die "islamische Welt".

Auch Lisa Beamer verfolgte im Kapitol an diesem Abend eine große, bewegende Rede. Ihr Mann Todd hatte sich in einem der vier entführten Flugzeuge gegen die Terroristen gestellt. In Pennsylvania stürzte die Maschine ab, bevor sie ihr Ziel erreichte. Wahrscheinlich hätte sie das Weiße Haus treffen sollen.

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