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Politik: Bushs neue Politik: Bagdad ist schuld

Rice präsentiert Liste aller Versäumnisse der irakischen Regierung / Demokraten streiten um eigene Linie

In den USA wächst die Enttäuschung über Iraks Regierung in allen politischen Lagern. Außenministerin Condoleezza Rice legte eine Liste der Versäumnisse Bagdads vor. Die neue Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi fragte nach ihrer Rückkehr von einer Irakreise: Warum soll Amerika weitere Opfer an Soldatenleben und Steuermilliarden bringen, wenn die Iraker ihren Teil der Aufgaben nicht erfüllen? Die Demokraten nutzen die Stimmung für verstärkte Angriffe auf George W. Bushs Irakpolitik unter dem Vorwurf, der Präsident versage bei der Aufgabe, Bagdad zur Erfüllung der Zusagen zu bringen. Auch bei den Republikanern wächst der Unmut über Regierungschef Nuri al Maliki, doch wird die Kritik von manchen eher zu Bushs Entlastung genutzt: Die Iraker seien schuld daran, dass es so wenig Fortschritt gebe.

Der Vorsitzende des Streitkräfteausschusses des Senats, der Demokrat Carl Levin und sein republikanischer Vize John McCain, ein führender Präsidentschaftskandidat der Partei, urteilten in einem gemeinsamen Schreiben: „Es ist kein Erfolgsrezept, dass Amerika immer mehr Soldaten schickt und Iraks Führer nur immer neue Versprechen abgeben.“

Die Liste unerfüllter Zusagen, die Rice dem Senat am Dienstag zukommen ließ, ist ihre Antwort auf eine offizielle Anfrage McCains und Levins nach Bushs Irakrede vom 10. Januar, in der der Präsident die Truppenverstärkung um 21 500 Mann angekündigt hatte. Danach wird der Irak wohl keines der Ziele für den Zeitraum Herbst 2006 bis März 2007 erreichen, von der Vorbereitung der Regionalwahlen über ein Gesetz zur Verteilung des Ölreichtums zwischen den Volksgruppen bis zur Reform der Vorschrift, die den Zugang der Ex-Parteigänger Saddam Husseins zum Staatsdienst einschränkt, die vor allem Sunniten sind.

Levin und McCain warfen Rice vor, sie habe weitere Pflichten Bagdads erst gar nicht aufgeführt, zum Beispiel die Zusage, bis November 2007 die Kontrolle über alle Provinzen zu übernehmen. Offenbar habe die US-Regierung nicht vor, „ernste Konsequenzen aus dem permanenten Versagen der Iraker zu ziehen“. Der Ton dieser Debatte in den USA ist symptomatisch, Amerika hat keine Geduld mehr mit dem Irak und möchte den Einsatz zu einem absehbaren Ende bringen.

Die erwartete Resolution des Senats gegen Bushs Truppenverstärkung verzögert sich derweil und wird frühestens kommende Woche im Plenum beraten. Inzwischen kursieren sieben verschiedene Fassungen, die sich in ihrer Schärfe unterscheiden. Keine fordert zwingende Schritte wie zum Beispiel die Verweigerung der weiteren Finanzierung des Irakeinsatzes. Angesichts der öffentlichen Stimmung werden auch viele Republikaner gegen Bushs Pläne stimmen. Durch Manöver mit der Geschäftsordnung stellen sie die Demokraten aber vor eine schwierige Wahl: Ist die Erhöhung des Mindestlohns oder die Irakresolution wichtiger? Vermutlich erhält die Debatte über den Mindestlohn den Vorrang, die Irakresolution würde weiter verschleppt.

Die Nachrichten über eine neue Front im Irak verstärken den Überdruss in den USA. Die Kämpfe gegen Aufständische nördlich von Nadschaf waren kein militärischer Erfolg irakischer Truppen gegen aufständische Milizen, wie es beide Regierungen zunächst dargestellt hatten. Vielmehr wären die irakischen Einheiten von einem unerwartet starken Gegner fast vernichtet worden und konnten sich nur dank herbeigerufener US-Luftwaffe und US-Bodentruppen behaupten. Die Kämpfe zeigen, wie gefährlich und kompliziert die Lage ist. Der Bürgerkrieg tobt nicht nur zwischen Sunniten und Schiiten, sondern in deren eigenen Reihen.

Bei der Miliz, die einen Überfall auf schiitische Pilger und ein Attentat auf den angesehenen Geistlichen Ajatollah Sistani plante, handelte es sich um eine schiitische Splittergruppe, „Himmelskrieger“, nicht um sunnitische Rebellen. Sie hatte Hunderte schwer bewaffnete Kämpfer mit Luftabwehrraketen in die Gegend bringen und Befestigungen anlegen können, ohne dass dies aufgefallen war.

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