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Castor

© ddp

Castortransporte: Ein Zug wird kommen

Tausende protestieren in Gorleben gegen die Castortransporte – Atomkraftgegner ketten sich an Gleise. Besonders die Schlampereien im Endlager Asse und die Tricksereien der Atomkonzerne erhitzen die Gemüter.

Die Straße durch den Gorlebener Wald ist am Samstagmittag ein dreifaches Aufmarschgebiet. Hunderte Polizisten bewachen die Zufahrten zu dem riesigen Atomkomplex. Ihnen gegenüber ist eine gewaltige Armada von Traktoren aufgefahren. Mehr als 300 sind es, die meisten von ihnen mit Fahnen und Transparenten geschmückt. „Geht uns vom Acker, Strahlenkacker“, steht darauf oder „Wi wullt den Schiet nich hebben“. Zwischen Bauern und Beamten haben etliche Fernsehteams ihre Übertragungswagen postiert; die Proteste gegen Castortransporte sind wieder ein Medienereignis.

Und die Proteste haben nach langer Stagnation wieder massenhaft Zulauf. In dem drei Kilometer entfernten Dorf Gorleben versammeln sich gleichzeitig tausende Demonstranten, viele hundert Fahrzeuge stecken noch auf den kleinen Straßen in Staus fest. Sambabands trommeln, Clowns wuseln durch die Menge, gelbe Luftballons mit der roten Anti-Atom- Sonne steigen in den blauen Himmel.

Ganze Dorfgemeinschaften aus dem Wendland sind gekommen, Chöre und Sportvereine. Auch etliche Wimpel der Grünen und der Linken sind zu sehen. Beide Parteien haben ihre Mitglieder und Anhänger zur Teilnahme an der Kundgebung aufgerufen. Prominenz aus Vorständen und Fraktionen will sogar bei verbotenen Blockaden mitmachen.

„Wir sind mehr als 10 000“, sagt Anti-Atom-Veteran Jochen Stay. Die Polizei hat sogar 14 000 Demonstranten gezählt. Die Gründe für so viel Beteiligung? Vor allem wohl die Schlampereien im Endlager Asse und die Tricksereien der Atomkonzerne , mutmaßen die Organisatoren der Demonstration. Durch künstliche Stillstände versuchten die AKW-Betreiber, ihre alten Reaktoren bis zur nächsten Bundestagswahl zu retten. Danach wolle eine schwarz-gelbe Bundesregierung den Ausstiegsbeschluss kippen.

Um das zu durchkreuzen, suchen die Atomkraftgegner nach neuen Bündnispartnern. Einen haben sie auch schon gefunden. Mit Hartmut Meine spricht am Nachmittag erstmals ein ranghoher Gewerkschafter bei einer großen Anti- Atom-Kundgebung. Nach jahrelangen Dissonanzen zwischen Kernkraftgegnern und organisierten Arbeitnehmern ruft Meine, Chef des IG Metall-Bezirks Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, nun zum Schulterschluss auf.

Renate Backhaus vom Bund für Umwelt und Naturschutz erinnert in ihrer Rede an eine Untersuchung des Mainzer Kinderkrebsregisters, die im Dezember 2007 für Aufsehen gesorgt hatte: Je näher ein kleines Kind an einem Atomkraftwerk wohnt, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass es an Krebs erkrankt. Obwohl die Aussage inzwischen relativiert werde, gebe es keinen Zweifel an dem Zusammenhang zwischen AKW und kindlichen Leukämien.

Die Kundgebung im Gorlebener Wald zieht sich bis in den späten Nachmittag hin. Rockbands spielen, viele Leute tanzen, auch einige Polizisten wippen mit. So entspannt wird die Stimmung kaum bleiben, sobald der Castor das Wendland erreicht hat. Erste Auseinandersetzungen gab es bereits in der Nacht zum Samstag, als die Polizei auf der Bundesstraße 216 eine Blockade von mehreren hundert Atomgegnern räumte. Auch Brandanschläge auf Einrichtungen der Deutschen Bahn gehen offenbar auf das Konto der Castorgegner. Betroffen waren die Rheintalstrecke bei Karlsruhe, die Bereiche Hamburg-Reinbek, der Großraum Berlin sowie Hamm und Wiesbaden. Teilstrecken mussten zeitweise gesperrt werden.

In Dannenberg wird der Zug am Sonntag erwartet. Nach dem Umsetzen der Behälter auf Straßentieflader sollen diese Montag früh ins Gorlebener Zwischenlager gebracht werden. Am Samstagmittag war der Transport aus Frankreich an die deutsche Grenze gelangt. AKW-Gegner blockierten allerdings nahe Wörth am Rhein die Strecke, während der Zug im wenige Kilometer entfernten elsässischen Lauterbourg stand. Drei Frauen und Männer hatten nach Angaben von AKW-Gegnern ihre Arme an einen unter den Gleisen versteckten Betonblock angekettet.

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