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Die CDU-Abgeordnete Bettina Kudla löst mit einem Tweet Empörung aus.

© dpa, Laurence Chaperon

CDU-Abgeordnete warnt vor "Umvolkung": Diese Grenzüberschreitung muss Konsequenzen haben

Die CDU-Abgeordnete Bettina Kudla polemisiert gegen die „Umvolkung Deutschlands“. Das geht zu weit. Die Partei muss eine scharfe Grenze ziehen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Das „Wörterbuch des Unmenschen“ ist nur noch antiquarisch zu bekommen. Das ist schade, weil sich in dem 1957 erschienenen Büchlein nachlesen lässt, wie die Propagandisten des NS-Reichs selbst harmlose Worte missbrauchten, um ihre schändlichen Taten zu verschleiern. „Umvolkung“ stammt aus dem tiefsten braunen Sprachsumpf, in Wort und Tat ein Vorläufer der „ethnischen Säuberung“, Massenmord in den überfallenen Gebieten im Osten eingeschlossen. Die CDU-Abgeordnete Bettina Kudla hat es gebraucht. Seither hat die CDU ein Problem. Es ist größer, als sie wahrhaben will.

Dabei geht es, wie oft in solchen Angelegenheiten, gar nicht um die Person Kudla. Die Bundestagsabgeordnete hat mit dem Begriff per Twitter gegen Angela Merkels Flüchtlingskurs polemisiert: „Die #umvolkung Deutschlands hat längst begonnen.“

Ob das ein Versuch war, sich im Kampf um die Wieder-Nominierung in ihrem Leipziger Wahlkreis einem Teil der Basis anzudienen, oder schiere Ahnungslosigkeit – geschenkt. Kudlas Motive und Persönlichkeit spielen eine Rolle, wenn es um die Frage geht, auf welche Weise ihre Partei und Fraktion mit dem Fall umgehen. Es mag da im Menschlichen Gründe geben für etwas behutsame Behandlung.

Das ändert nur nichts am politischen Sachverhalt. Partei- und Fraktionsspitze haben – zu Recht und rechtzeitig – die Äußerung der Abgeordneten als nicht vereinbar mit dem Denken und Sprechen der CDU zurückgewiesen. Der Tweet ist inzwischen gelöscht. Der Innenminister und Wahl-Sachse Thomas de Maizière fordert die Abgeordnete jetzt auf, sich schnell zu entschuldigen, das könne die Sache vielleicht aus der Welt schaffen.

Die Frage ist, ob Worte der Verurteilung reichen

In diesem „vielleicht“ steckt aber schon eine Ahnung davon, dass es so einfach eben nicht ist. De Maizière beklagt seit Langem eine Verrohung der Sprache über Politik, speziell über die Flüchtlingspolitik – zu Recht. Wer Sprachtabus verletzt, nimmt billigend in Kauf, dass als Nächstes Menschen real verletzt werden, und sei es „nur“ an ihren Mitmenschenrechten.

Erschwerend kommt hinzu, dass diese Art Grenzverschiebung zum Markenzeichen der AfD geworden ist. Den NS-vergifteten Begriff „völkisch“ positiv zu besetzen, wie es die Vorsitzende Frauke Petry will, ist ja nur der vorerst letzte Schritt auf den braunen Rand zu.

Umso wichtiger, dass die CDU an dieser Stelle eine scharfe Grenze zieht. Mit Worten, wie gesagt, haben das die Zuständigen getan. Aber die Frage ist, ob Worte reichen. Und die Antwort wird immer zwingender, je länger die klaren Worte ohne klare Konsequenzen bleiben: Wer sich im Wörterbuch des Unmenschen bedient und der dazugehörigen Denkungsart, der darf nicht Volksvertreter im Namen der CDU bleiben. Er vergiftet sonst die ganze Partei.

Im Idealfall würde die Abgeordnete das einsehen und sich selber zurückziehen. Vielleicht braucht sie für die Einsicht noch Zeit. Andernfalls wird die Fraktion nicht um eine eigene Entscheidung herumkommen. Ein Ausschlussverfahren ist bitter für alle Beteiligten. Aber es wäre dann das einzige Signal, um zu zeigen: So reden wir hier nicht mal versehentlich.

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