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Der Vorsitzende der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, Volker Kauder macht mal wieder mit Islam-Aussagen auf sich aufmerksam.

© Sophia Kembowski/dpa

Muslime und der Islam in Deutschland: Volker Kauder heizt die Islam-Debatte wieder an

Mit der Aussage, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, hat Kauder seiner CDU keinen Gefallen getan. Die Debatte um die Flüchtlingskrise hat in seiner Fraktion Risse hinterlassen.

Von Robert Birnbaum

Warum er das ausgerechnet jetzt bekräftigen musste? Volker Kauder hat ja nun wirklich keinen Nachholbedarf im Streit um die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört oder nicht. Der Unionsfraktionschef fand die Formulierung immer schon falsch, die Christian Wulff als Bundespräsident 2010 zum Leitsatz erhob und der sich Angela Merkel später anschloss. Seit Jahren widerspricht Kauder auch öffentlich. Jetzt also wieder: Nein, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, der Satz tauge nichts, „wohl aber gehören die Muslime zu Deutschland“, hat er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ gesagt.

Der Anlass für Frage und Antwort hört natürlich auf das Kürzel AfD. Die „Alternative“ hat sich als Anti-Islam-Partei positioniert; „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ steht jetzt im Programm. Für den Zwangsruheständler Wulff ist das keine Provokation mehr, für die Flüchtlingskanzlerin Merkel höchstens noch eine halbe. Aber für einen wie Kauder stellt der AfD-Beschluss eine offene Herausforderung dar. Die neue Konkurrenz macht den Konservativen in der Union die Begriffe streitig.

Diese Kaperfahrt funktioniert bei einem Thema wie der Haltung zum Islam und zu Muslimen doppelt gut, weil CDU und CSU dazu alles andere als eine geklärte Haltung haben. Schon das Schicksal des Islam-Satzes illustriert die Bandbreite. Eigentlich stammt er nämlich von Wolfgang Schäuble, der – damals Innenminister und Initiator der Islam-Konferenz – 2006 festhielt: „Der Islam ist inzwischen Teil Deutschlands und Europas.“ Damals regte das keinen auf, wohl auch, weil Schäuble nicht als Multikulti-Romantiker durchgeht. Erst Wulff gab der Sache einen politisch korrekten Tonfall mit, der in den eigenen Reihen zu Widerspruch aufreizte.

Kauders Bedenken sind die gleichen geblieben: Sicher gut gemeint, aber zu unpräzise sei der Satz, als dass sich damit etwas anfangen ließe; „historisch und kulturell“ sei er sowieso falsch. Aber die Freiheit der Religionsausübung stehe nicht infrage, Moscheen und Minarette dürften selbstverständlich gebaut werden, die Menschen, die Muslime, die gehörten zum Land und dürften nicht ausgegrenzt werden, „so wie das im Augenblick die Rechtspopulisten betreiben“.

61 Prozent sagen, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört

Das Problem ist nur, dass eine derart differenzierte Haltung heute noch schwerer zu vermitteln ist als in den Jahren vor der AfD. Von links musste sich Kauder schon damals anhören, dass er eben doch mit Ressentiments spiele; den Vorwurf der „Anbiederung“ an die rechte Konkurrenz erheben Linke und Grüne heute erst recht. Auf der anderen, der rechten Seite kann er sich aber auch nur begrenzt verständlich machen. Die „Bild“-Zeitung gibt Umfragen in Auftrag mit der schlichten Frage, ob der Islam zu Deutschland gehöre oder nicht – 61 Prozent sagen Nein. Immerhin drehen sich die Verhältnisse etwas im Kauder’schen Sinne, wenn nach der Zugehörigkeit von Muslimen zum Land gefragt wird: Da sagen 49 Prozent Ja. Nur ist das auch kein richtiger Trost, wenn zugleich 30 Prozent der Befragten den Andersgläubigen die Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft des Jahres 2016 absprechen. Die aufgeheizte Stimmung der letzten Monate wirkt offenkundig nach.

Da wieder rauszukommen wird schwer, für den Fraktionschef ganz besonders. Die Flüchtlingskrise hat auch in seiner Fraktion Risse hinterlassen. Kauder hat in dieser ganzen Zeit auf Merkels Seite gestanden und dabei manchmal so finster entschlossen gewirkt, dass es selbst vielen in der eigenen Truppe auf die Nerven ging. Die Spannungen drohen jetzt an Ersatzthemen aufzubrechen. Das geplante Regierungsprogramm für Subventionen für Elektroautos etwa hat eine derart mürrische Debatte in der Fraktionssitzung ausgelöst, wie sie in der traditionell eher wirtschafts- und autofreundlichen Union selten vorkommt.

Und das Verhältnis der Merkel-CDU zur Horst-Seehofer-CSU bleibt belastet. Seehofers alter Generalsekretär Alexander Dobrindt hat der Schwesterpartei gerade erst wieder den Vorwurf der Sozialdemokratisierung und Vergrünung um die Ohren gehauen. „Die CDU versteht sich seit Jahren nicht mehr als Mitte-rechts-Partei“, gab der Verkehrsminister dem „Spiegel“ zu Protokoll. „Ich hätte übrigens grundsätzlich Zweifel an der Richtigkeit meiner Politik, wenn sie von Linken und Grünen bejubelt wird.“ Das alles habe dazu geführt, dass viele Wähler in der politischen Gesamtdebatte ihre Haltung nicht mehr repräsentiert sähen: „Die haben jetzt mit der AfD versuchsweise eine neue Stimme gefunden.“

Das würde vielleicht noch ein ganzes Stück plausibler klingen, wenn die „Alternative“ nicht inzwischen auch in bayerischen Umfragen auf die Zehn-Prozent-Marke zusteuern würde. Zur Problemlösung trägt die Analyse ohnehin nur begrenzt bei, zumal Dobrindts Forderung, auf Distanz zu Schwarz-Grün zu gehen, bei den aktuell gerade verhandelten Themen von TTIP bis EU-Türkei-Abkommen gar keine konkreten Anknüpfungspunkte findet.

Kauder mag diese Art der Analyse sowieso nicht hören. „Von der Diskussion, ob eine mehr oder weniger konservative Ausrichtung nötig sei, halte ich gar nichts“, grantelt er. Darüber werde jetzt seit Jahren diskutiert, und trotzdem habe die Union vor drei Jahren ein „sensationelles Ergebnis“ erzielt. Stimmt schon auch. Bloß sind CDU und CSU im Moment von solchen Sensationen ziemlich weit entfernt.

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