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Politik: CDU: Fassungslos

Die CDU-Führung hat ein ernstes Klima-Problem - nicht zum ersten Mal, aber angesichts der schwierigen Gesamtlage der Partei sogar ein sehr ernstes. In einer Sitzung des Geschäftsführenden Vorstands der Unionsfraktion ist es am Dienstagabend zu einer Kontroverse zwischen Fraktionschef Friedrich Merz und Parteichefin Angela Merkel gekommen.

Die CDU-Führung hat ein ernstes Klima-Problem - nicht zum ersten Mal, aber angesichts der schwierigen Gesamtlage der Partei sogar ein sehr ernstes. In einer Sitzung des Geschäftsführenden Vorstands der Unionsfraktion ist es am Dienstagabend zu einer Kontroverse zwischen Fraktionschef Friedrich Merz und Parteichefin Angela Merkel gekommen. Merz, berichteten Teilnehmer dem Tagesspiegel, habe im Laufe der Sitzung gesagt, er vermisse eine programmatische Profilierung und eine klare Führung der Partei. Auch wenn Merz den Namen Merkel nicht genannt hat, sei allen anderen klar gewesen, dass er damit die Parteichefin gemeint habe. Merkel soll nach diesen Worten fassungslos in die Runde geblickt und nichts entgegnet haben.

Sprecher von Merz wie von Merkel dementieren - diese Worte seien nicht gefallen. Auch etliche Teilnehmer haben sie nicht gehört. Andere Zeugen erinnern sich dafür genau an die Szene. Es wäre nicht das erste Mal, dass es solche Auftritte zwischen Merkel und Merz gegeben hat. Die Situation war im Frühling zeitweise derart eskaliert, dass die beiden sich ausgesprochen und einen Burgfrieden geschlossen hatten. Doch seit einiger Zeit zeigen sich wieder Risse in der mühsam geschlossenen Front. Zumal sich auch Merz - zuletzt beim Bundeskongress der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) - mit Widerständen aus den eigenen Reihen konfrontiert sieht. Erbost hat Merz, dass die CDA, darin nachhaltig bestärkt von Norbert Blüm, ein mangelndes Sozialprofil der CDU zur Ursache der Wahlniederlage von 1998 erklärt hat. Merkel kam beim CDA-Kongress in Bonn gut an, Merz wurde ausgebuht - so etwas nagt.

Merz ist nach dem Eindruck von Teilnehmern auch in diese Sitzung schon geladen hereingegangen. Zu Wochenbeginn hatte es eine lange Debatte in der Fraktion um die Frage gegeben, wie man ein Moratorium gegen den Import von embryonalen Stammzellen konkret umsetzen solle - mit einer Gesetzesänderung oder einem formlosen Appell. Merz habe sich sehr darum bemüht, einen für alle tragbaren Kompromiss zu finden. Dennoch stimmten 17 Fraktionsmitglieder gegen die Lösung. Merz habe sich daraufhin intern schon die Frage gestellt, wie weit die Fraktion eigentlich noch hinter ihm stehe. Auch in Bezug auf die Gentechnik habe Merz dann in der Fraktionsvorstandssitzung moniert, dass vieles für die Fraktion einfacher wäre, wenn klar wäre, was die Parteiführung eigentlich wolle.

Wie sehr es zwischen Merz und Merkel knistern mag - zwischen Merkel und dem CSU-Vize Horst Seehofer hat es geknallt. Der CSU-Sozialpolitiker hatte Unmut über die Arbeit der CDU-Sozialstaatskommission unter Leitung des Niedersachsen Christian Wulff geäußert und endlich Ergebnisse gefordert. Die Union brauche dringend einen Standpunkt in der Rentendebatte, der auch wahlkampftauglich sei. Merkel nahm die Kritik an der Wulff-Kommission als Vorwurf gegen sich selbst und reagierte gereizt. So gab ein Wort das andere, bis Merkel schließlich Seehofer eine Aussage im "Focus" vor drei Wochen um die Ohren schlug. Seehofer hatte damals kundgetan, der bayerische Regierungschef Edmund Stoiber sei "doch der Einzige, der als Schröder-Gegner überhaupt noch ernst genommen würde". Das hielt Merkel dem CSU-Mann jetzt vor: Sie habe "die Schnauze voll", in der Zeitung lesen zu müssen, dass sie nicht mehr ernst zu nehmen sei. "Ich wusste gar nicht, dass sie solche Vokabeln kennt", sagte ein Teilnehmer. Seehofer schwieg. Aber im Nachgang ist doch ein knapper Kommentar von ihm überliefert: "Die einzige Frau, die mir jemals den Kopf gewaschen hat, ist meine Mutter."

Markus Feldenkirchen

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