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Politik: CDU-Finanzaffäre: Und wenn du gehst, dann geht auch ein Teil von mir - Roland Koch verliert seinen Halt

Ihre Stimme zittert. Otti Geschka ist empört, jedenfalls erklärt sie das ausführlich, und das weckt plötzlich den Verdacht, als wolle sie bloß ablenken, auf jeden Fall Zeit gewinnen.

Ihre Stimme zittert. Otti Geschka ist empört, jedenfalls erklärt sie das ausführlich, und das weckt plötzlich den Verdacht, als wolle sie bloß ablenken, auf jeden Fall Zeit gewinnen. "Sie merken es mir an", sagt sie und schaut auf. Was die Generalsekretärin der hessischen CDU sagt, klingt doppeldeutig. Und sie merkt es: "Sie wissen, wie sehr offen meine Informationspolitik war", setzt Geschka schnell hinzu. Zu spät. Denn sie will mit ihren ausführlichen Angriffen auf alle, die über den hessischen Spendensumpf berichten, tatsächlich Zeit gewinnen - bis Franz Josef Jung zurücktritt, der Chef der Staatskanzlei von Roland Koch.

"Kein Mensch ist frei von Fehlern, aber wenn ich mir in dieser Sache Vorwürfe hätte machen müssen, würde ich längst aus freien Stücken nicht mehr auf diesem Stuhl sitzen." So lange ist es noch gar nicht her, dass sich Franz Josef Jung in dieser Weise in Ton und Gestus sehr selbstbewusst geäußert hat. Das war ein Satz, der in diesen Stunden zum Anspruch an ihn wird. Und Jung muss den Anspruch jetzt erfüllen: Die Affäre um schwarze Kassen, verdeckte Konten und versteckte Gelder holt ihn wieder ein.

Die Lage in Hessen wird für Koch nun brutalstmöglich. Sie bilden "ein Gespann", hat Jung immer voller Stolz gesagt: sein Freund Roland und er. Sie gehören zusammen, das hat er allein schon mit seinem Verhalten zu verstehen gegeben, indem er die Nähe zu Koch suchte. Es sind zwei, die zusammengehören - das belegen viele Bilder. Und jetzt muss der Erste aus diesem Gespann gehen.

Über die Jahrzehnte ist zwischen ihnen eine Symbiose entstanden, wie sie bei wenigen Politikern anzutreffen ist. Was Koch wollte, wusste Jung. Ihr Lebensweg zeigt viele Übereinstimmungen: Beide haben sich nicht weit von ihren Elternhäusern entfernt, beide sind katholisch, beide Juristen, beide waren schon ein Gespann im Bundesvorstand der "Jungen Union", der Jugendorganisation der CDU, in den achtziger Jahren. Jung, der Ältere, und Koch, der Jungstar, erschienen von da an miteinander verflochten.

Es kamen die acht gemeinsamen Jahre in der Opposition, als Jung der Fraktionsgeschäftsführer war und Koch der Chef der Fraktion. Sie entwickelten ihr Rollenspiel fast bis zur Perfektion. Voran ging damals immer Freund Franz Josef als der Mann fürs Grobe, der oft mit Polemik provozierte und mit Verdächtigungen des politischen Gegners nicht geizte. "Einer muss die Breschen schlagen", hat er mal gesagt. Ihm nach kam Roland, der versuchte, mit gescheiten Reden zu brillieren. Und der sich mit dem Dalai Lama zum Gedankenaustausch traf.

"Wahr ist ...", sagt Jung im Blitzlichtgewitter. "Wahr ist: Ich habe mir in der gesamten Spendenaffäre nichts zuschulden kommen lassen und nichts vorzuwerfen." Seine Stimme zittert nicht, seine vom Papier abgelesenen Worte klingen nach Empörung. Er spricht gesammelter als Geschka und darf zitieren, dass Roland Koch ihm weiter vertraue, dass der ihn auch im Amt gehalten hätte, wenn nur der Partner FDP derselben Meinung gewesen wäre. Zum Schluss, ganz wie es sich gehört, lobt Jung noch einmal Koch. Er versichert, dass er den Ministerpräsidenten als Abgeordneter tatkräftig unterstützen werde. Und er bedeutet damit allen, dass Koch weiter auf ihn zählen kann. Einer muss die Breschen schlagen.

Die Freien Demokraten haben Jung schon länger hart angegriffen. Sie wollten den Rücktritt, weil sie seinen Beteuerungen, nichts gewusst zu haben, misstrauten. Denn Jung ist ja nicht nur ein Vertrauter Roland Kochs - er gehört seit Jahren, seit Manfred Kanthers Zeiten, zur Spitze der Hessen-CDU. Und da soll er als Generalsekretär nichts vom Schwarzgeld-Finanzierungssystem gewusst haben? Jung bestreitet jede Verstrickung: "Kümmern Sie sich nur um die politische Arbeit", habe Kanther gesagt.

Auch sein Verhältnis zu Kanther war eng. Jung folgte ihm 1987 im Amt des Generalsekretärs. Und weil jeder die Verbindung von Jung und Koch kannte, konnten sich alle ausrechnen, dass dies eine Anzahlung sein würde: Später würde Koch als Vorsitzender auf Kanther folgen. Kanther, Jung und Koch: Zwischen diesen Dreien bestand lange Jahre Einverständnis. Noch im vergangenen Oktober besuchte Kanther mit seiner Frau die Familie Jung im Rheingau. Dort besitzt der jüngere Bruder von Franz Josef ein Weingut, und Kanther wollte bei der Arbeit an den Reben helfen, wie seit Jahren. Im Januar klang alles anders: "Ich bin seit Jahren belogen und betrogen worden", sagte Franz Josef Jung seinerzeit, wohl auch, um sich zu schützen.

Gestelzte Worte, konzentriert

"Ich bedauere diese Bitte von Herrn Doktor Jung sehr." Hier spricht der Ministerpräsident. Roland Koch redet formell, seine Regungen sind kontrolliert. Das Bedauern, das seine gestelzten Worte ausdrücken, überwältigt ihn nicht. Doch angegriffen sieht er aus - und gealtert. "Ich bin entschlossen, diese Herausforderung zu bewältigen", sagt Koch. Und dann erklärt er, welche Verantwortung er empfinde nach dem Rücktritt seines Freundes - die für seine Wähler.

Auch der Sieg im letzten Jahr zählt zu Jungs Hinterlassenschaften. Er war Kochs Wahlkampfmanager und steuerte mit anderen die umstrittene Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsangehörigkeit, die letztlich den Stimmungsumschwung und die Stimmen brachte. Da war es zugleich der Dank und logisch, dass Jung an der Seite des jungen Ministerpräsidenten blieb. Er wollte dann auch helfen, im Gespann den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Das kann Jung nun nicht mehr: Er musste gehen. Und wenn er geht, dann geht auch ein Teil von Koch.

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