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CDU-Generalsekretär Peter Tauber auf dem Heißen Stuhl bei einer Twitter-Fragerunde der Jungen Union 2015.

© Lars Berg/Imago

CDU-Generalsekretär: Sexismusdebatte bringt Tauber in Erklärungsnot

CDU-Generalsekretär Peter Tauber muss sich zu allerhand Gemunkel und Indiskretem verhalten - eine Herausforderung kurz vor der anstehenden Bundestags-Kandidatur.

Von Robert Birnbaum

An dem Vorstoß war eigentlich nichts auszusetzen. Eine junge CDU- Frau erhebt Vorwürfe gegen einen älteren CDU-Promi, der Generalsekretär wird um eine Stellungnahme gebeten, und Peter Tauber antwortet: Ja, so was höre er öfter, da sei eine Debatte über den alltäglichen Sexismus fällig: „Wir brauchen eine größere Sensibilität in allen Bereichen der Gesellschaft.“ Was man eben so sagt als CDU-General, der nach dem Willen seiner Chefin das moderne, junge Gesicht der Partei repräsentieren soll. Im speziellen Fall allerdings wäre vielleicht Schweigen die bessere Idee gewesen. Denn seither sieht sich Tauber mit der Frage konfrontiert, wie es denn so mit mit der eigenen Sensibilität steht.

Die Frage kam schon deshalb auf, weil Angela Merkels General so früh und so dezidiert auf die Vorwürfe der Berlinerin Jenna Behrends reagierte. Obwohl er zum konkreten Fall gar nichts sagte, ordneten manche Medien seine schnelle Einlassung gleich als indirekte Parteinahme ein – für Behrends und also gegen den attackierten Frank Henkel.

Taubers Leute versichern, das sei nun wirklich nicht die Absicht gewesen. Dann war es jedenfalls fahrlässig. Denn wer die chronisch tratsch- und intrigensüchtige Berliner CDU auch nur oberflächlich kennt, musste wissen, dass dort prompt das Gerücht aufkommen würde, das Adenauer-Haus wolle den Landesverband aufmischen. Endgültig zum Gegenstand des lokalen Gemunkels wurde der Vorgang, als bekannt wurde, dass Tauber und Behrends mal einen Flirt miteinander hatten – und dieser Flirt obendrein zum Gegenstand eines Streits zwischen Parteifreundinnen darüber wurde, ob Behrends nicht durch Verhalten und Rumgetratsche selbst den Anlass zu den Sprüchen gegeben hat, die sie dann anprangerte.

Vorsitz der Frauen-Union: „Die Frage ist: Ist das verzichtbar?“

So weit, so unglücklich. Doch der Vorgang löste noch einen weiteren aus. Jemand in Taubers hessischem Heimatwahlkreis sah offenbar die Zeit reif, eine ältere Rechnung zu begleichen. Und so flatterte der „Süddeutschen Zeitung“ ein interner Mail-Verkehr aus dem Jahr 2012 in ihr Berliner Büro. Tauber war damals schon Bundestagsabgeordneter und CDU-Chef im Main-Kinzig-Kreis. Er schrieb an fünf Parteifreunde, dass man über den Vorsitz der Frauen-Union reden müsse, den niemand übernehmen wolle: „Die Frage ist: Ist das verzichtbar?“

Sein Kreisgeschäftsführer antwortete, verzichtbar seien die organisierten CDU-Frauen „allemal“, aber es gebe da eine, die sei doch so „pseudoengagiert“. Sein Mitarbeiter aus dem Bundestagsbüro empfahl eine andere Frau – zwar riskiere die in der „Schlangengrube“ Frauen-Union den frühen Tod, aber ein guter Einstieg wär’s, und außerdem: „Rein optisch wäre sie ein Gewinn.“

Es herrschte also, lernt man daraus, im Umkreis Taubers gelegentlich ein arg pubertärer Junge-Union-Jungs-Ton. Immerhin sind von ihm selbst keine direkt plumpen Sprüche aktenkundig – die „verzichtbar“-Frage könnte als erkennbar nicht ernst gemeint durchgehen. Beiden Frauen schadete die Männerbündelei auch nicht: Die eine machte anschließend Karriere als Bundestagsabgeordnete, die andere als Lokalpolitikerin.

Die Vorwürfe kommen kurz vor Taubers Nominierung für seine Bundestags-Kandidatur

Trotzdem bleibt solch ein Tonfall immer irgendwie am Chef hängen. Zumal vor kurzem noch eine alte Geschichte aufgetaucht war, in der es um eine regelrechte Mobbing-Anleitung gegen eine missliebige Kreisgeschäftsführerin ging, Überschrift: „Pflegehinweise für das Kaninchen“. Taubers Rolle in der Sache ist nicht mehr richtig aufzuklären. Manche Zeugen behaupten, er habe das Papier 2006 mitverfasst; er selbst sagt, er habe es „wie viele andere vor Ort“ gekannt, aber weder in Auftrag gegeben noch geschrieben. Die Kaninchenjagd blieb erfolglos und die Frau bis zur Pensionierung im Amt.

Auch davon bleibt aber immer ein bisschen hängen. Tauber selbst sieht das schließlich genau so. Er äußert den Verdacht, dass ihm jemand mit alten Geschichten vor der anstehenden nächsten Kandidatur für den Bundestag Steine in den Weg legen wolle: „Ich habe eine leise Ahnung, warum das kurz vor meiner Nominierung aus der Schublade gezogen wird“, hat er am Sonntag im Deutschlandfunk gemutmaßt.

Groß genug, ihn ins Stolpern zu bringen, sind diese Art Steine wohl nicht. Der hessische SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel hat mit der Forderung an Angela Merkel, ihren General umgehend zur Aufklärung der „unsäglichen Vorgänge in seinem Kreisverband“ zu bewegen, jedenfalls zuverlässig den christdemokratischen Wagenburg-Reflex ausgelöst, der im Landesverband Hessen traditionell besonders ausgeprägt ist.

Aber unangenehm sind die Geschichten für ihn. Schon weil Tauber in Sachen Sexismus jetzt eigentlich nur noch alles falsch machen kann. Versucht er die Debatte aktiv voranzutreiben, muss er mit hämischem Kichern im Publikum rechnen; nimmt er davon Abstand, riskiert er hämisches Kichern hinter dem Rücken.

Aber so hoch, wie die Wellen im Berliner CDU-Wasserglas gehen, ist gerade ohnehin keine gute Zeit für Debatten über die Grenzen zwischen Plumpheit und Sexismus oder gar darüber, wann Sexismus-Vorwürfe in Charaktermord umschlagen. Nur die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt ist weit genug weg für einen Kommentar mit Hintersinn. Als sie im heimischen Gasthaus als junge Kellnerin ein wichtiger, aber betrunkener Gast anfasste, erzählt Hasselfeldt, hat sie ihm rechts und links eine reingehauen. Danach war Ruhe: „Die sofortige Reaktion ist ausschlaggebend.“

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