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Politik: CDU in Sachsen: Bloß keine Doppelspitze

Dieses Mal hatte sich Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) in säuberlicher Handschrift aufgeschrieben, was er sagen wollte. Lange habe er gebraucht, aber nun habe habe er die Entscheidung getroffen, sagte der Ministerpräsident mit bedächtiger Stimme.

Dieses Mal hatte sich Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) in säuberlicher Handschrift aufgeschrieben, was er sagen wollte. Lange habe er gebraucht, aber nun habe habe er die Entscheidung getroffen, sagte der Ministerpräsident mit bedächtiger Stimme. Er werde sich von seinem Finanzminister Georg Milbradt (CDU) trennen und seinen Staatskanzleichef Thomas de Maizière zum Nachfolger ernennen.

Über ein Ende der politischen Karriere Milbradts, den Biedenkopf 1990 aus Westfalen nach Dresden geholt hatte und der seit Jahren als fähigster Kopf im Kabinett galt, war seit den Wahlen zum Fraktionsvorstand Mitte vergangener Woche spekuliert worden. Dort hatte Biedenkopf unschöne Worte über Milbradt gebraucht und von einem "miserablen Politiker" gesprochen, weil er in ihm den Anstifter einer Art Verschwörung sah, die in der Frage der Nachfolge des Ministerpräsidenten erste Tatsachen schaffen wollte: Der Biedenkopf-Getreue Fritz Hähle sollte abgewählt und durch einen Mann Milbradts ersetzt werden. Der nächste Schritt, so lautete die Vermutung, werde Milbradts Kandidatur für den CDU-Landesvorsitz im Herbst sein. Damit wäre eine Art Vorentscheidung für die Nachfolge im Amt des Ministerpräsidenten gefallen.

"Verdammt gute Gründe" seien es gewesen, sagte Biedenkopf, durch die er sich gezwungen gesehen habe, Milbradt zu entlassen. Jene "verdammt guten Gründe" benennt Biedenkopf mit "unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten" in Konzept und Strategie, wie die sächsische CDU bis zu den Landtagswahlen zu führen sei. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass die Union in Sachsen weiter regieren könne, wenn die absolute Mehrheit verloren gehe, sei gering. Milbradt, der eine "starke Position gehabt habe und der zurecht als einer der möglichen Nachfolger gehandelt worden sei", habe mit seinem Gewicht als Finanzminister und stellvertretender CDU-Landesvorsitzender eine "herausragende eigene Gestaltungskompetenz beansprucht", was eine Doppelspitze im Kabinett bedeutet hätte. Das sei unvereinbar mit einem offenen Auswahlverfahren gewesen. Milbradt sei nicht bereit gewesen, von seiner Position abzurücken. Jetzt eine Vorentscheidung über die mögliche Amtsnachfolge zu treffen, werde zu einer schweren Fehlentwicklung führen.

Biedenkopf hatte wohl gehofft, Milbradt werde zurücktreten. Doch der dachte nicht daran, aufgemuntert vom Zuspruch seiner Anhänger über das Wochenende. Zwei kurze Gespräche mit Biedenkopf am Montag brachten keine Annäherung: Milbradt nannte seine "Bedingungen" für die weitere Zusammenarbeit, die er selbst in Widerspruch zum Regierungschef auf die Formel brachte, es müsse möglich sein, bei aller Loyalität über die Ära Biedenkopf hinaus zu denken. Biedenkopf setzt dagegen auf ein Team, aus dem sich bis 2003 derjenige herauskristallisieren soll, der eine deutliche Mehrheit in der Fraktion finden kann. Namen nennt Biedenkopf nicht. Doch werden häufig die Minister Matthias Rößler (Kultus), Steffen Flath (Umwelt) oder Manfred Kolbe (Justiz) genannt. Das Problem: Sie sind weit weniger profiliert als Milbradt oder der "bunte Hund" der Landespartei, der frühere Innenminister Heinz Eggert, der zu den lautstarlken Unterstützern des geschassten Finanzministers gehört.

Es war Eggert, der auch am Dienstag kein Hehl aus seiner Meinung machte. Er nannte Biedenkopfs Entscheidung "irrational und irritierend". Wer die Entlassung als klugen Schritt empfinde, könne nur von politischer Ahnungslosigkeit geplagt sein, sagte Eggert wörtlich. Und der frühere Justizminister Steffen Heitmann sagte, die Entlassung sei eine "Fehlentscheidung".

Der sächsische PDS-Vorsitzende Peter Porsch betrachtet die Ablösung Milbradts als Zeichen einer Krise der Regierungspartei. Die Vorgänge in Dresden seien nicht nur "eine sächsische Provinzposse", sondern "die finale Krise des Systems Kohl, von dem das System Biedenkopf nur ein spiegelbildlicher Abklatsch war".

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