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Politik: CDU-Krisensitzung: Es bleibt wie es ist oder auch nicht - die CDU will jetzt in ihrer Politik möglichst eines sein: flexibel

"Wir haben uns alle den Rücken gestärkt", sagt Bernd Neumann. Kürzer als es der Bremer CDU-Chef am Montagnachmittag tut, kann man die vierstündige Krisensitzung des CDU-Präsidiums kaum zusammenfassen.

Von Robert Birnbaum

"Wir haben uns alle den Rücken gestärkt", sagt Bernd Neumann. Kürzer als es der Bremer CDU-Chef am Montagnachmittag tut, kann man die vierstündige Krisensitzung des CDU-Präsidiums kaum zusammenfassen. Neumann ist nicht Mitglied des Gremiums, aber als einen der drei "Abweichler", die der CDU vor einer Woche in der Steuerreform-Abstimmung im Bundesrat eine so bittere Niederlage bereitet hat, hat ihn Parteichefin Angela Merkel eingeladen. Der Bremer ist gekommen, so wie Eberhard Diepgen und Jörg Schönbohm.

Das Trio wirkt vorher keineswegs reumütig - und hinterher keineswegs geknickt. "In der Zwischenzeit sollte das Denken das Gefühl überholt haben", sagt Schönbohm am Morgen auf dem Weg in die CDU-Zentrale. Und weil der General humanistisch gebildet ist, kann er über das Geraune, es werde den Abweichlern an den Kragen gehen, gelehrt spotten: "Nach einem Scherbengericht muss man den Schierlingsbecher nehmen - den gibt es nicht."

Sie haben sich in der Tat alle den Rücken gestärkt - wenn auch nicht unbedingt gegenseitig. Es ist im Gegenteil streckenweise heftig hergegangen. Ein ziemlich nervöser Diepgen und ein gar nicht nervöser Schönbohm waren Hauptzielscheibe der Kritik. Ob das Wort "Verräter" gefallen ist und von wem, darüber gehen die Berichte der Beteiligten auseinander; aber unausgesprochen stand es in jedem Fall im Raum. Besonders Diepgen hat sich dem Vorwurf ausgesetzt gesehen, er habe die Parteiführung über seine Pläne praktisch bis zuletzt im Unklaren gelassen.

Aber die "Abweichler" haben sich verteidigt. Schönbohm hat sich heftig über Leute beschwert, die ihm vorhielten, er habe seine Überzeugung für ein Linsengericht verkauft. Das galt dem Mit-Präsiden Peter Rauen. Der Mittelständler aber blieb dabei: Er könne bis heute keinen Grund dafür erkennen, warum die drei Länder der Steuerreform zugestimmt hätten. Einige, sagt Schönbohm später, hätten ihn besser verstanden, andere weniger; aber sein Kopf sei noch dran.

Neumann wiederum ("Es ist keiner vorgeführt worden") hat die reichen Süd-Länder beschimpft, die den armen Stadtstaaten den Geldhahn zudrehen wollten: "Wenn die eigenen Freunde unser Interesse nicht ausreichend würdigen, müssen wir uns andere Bündnispartner suchen." Was wieder die reichen Südstaatler - Baden-Württembergs Regierungschef Erwin Teufel und sein hessischer Kollege Roland Koch - nicht auf sich sitzen ließen.

"Ich gehe davon aus, dass das Thema jetzt abgeschlossen ist", sagt Diepgen hinterher. Merkel geht davon auch aus: Vom "reinigenden Gewitter" spricht sie, genauso wie Koch, wobei beide die Betonung auf das "reinigende" gelegt sehen möchten und nicht auf "Gewitter".

Die Reinigungswirkung bestand freilich nach übereinstimmenden Berichten eben darin, dass sich alle über den "schwarzen Freitag" im Bundesrat noch mal die Meinung gesagt haben, aber keiner sich irgendwie schuldig bekannt hat. Nur Merkel merkte süffisant an, sie und Fraktionschef Friedrich Merz hätten öffentlich die Schuld auf sich genommen, weil andere ja nun wirklich keine Fehler gemacht hätten.

Einen Fehler will die CDU-Spitze jedenfalls nicht mehr machen: Sich auf eine Linie festlegen, die vielleicht nicht zu halten ist. "Flexibilität, um auf Signale der Gegenseite zu reagieren", lautet Merkels Formel für die künftige Oppositionsstrategie. Oder, wie es einer aus der CDU-Führung einprägsam formuliert: "Von A bis Z - von Ablehnung bis Zustimmung." Was konkret bei der Rentenreform heißt: Konsens ja, aber nur, wenn sich die andere Seite bewege. "Es kann scheitern, es kann gelingen", sagt Merkel.

Dass das weniger wie eine glasklare Strategie klingt denn wie eine Abwandlung der alten Bauernregel: Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder bleibt, wie es ist - das gestehen Präsidiumsmitglieder durchaus ein. Aber von glasklaren Strategien haben sie nach dem Steuerdebakel erst mal genug. Auch auf die Gefahr hin, dass einige die neue Theorie der flexiblen Reaktion so deuten, dass von nun an jeder sagen darf, was ihm so in den Kopf kommt, egal ob es in den Unionschor passt oder nicht. Was der künftig intonieren und ob er in Gleichklang zu bringen sein wird, ist nach der Sitzung so ungewiss wie zuvor. Gewisse Zweifel an der künftigen Schlagkraft hegt ja sogar die Parteichefin: "Opposition ist Opposition", sagt Merkel.

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