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CDU-Parteitag in Hannover: Grummeln an der Basis

Profilsuche und Wählerwerbung: In der Partei wird die Forderung nach einem deutlicheren Auftreten gegenüber der Türkei lauter. Auch beim Thema Mindestlohn gibt es Streit.

Berlin - Die CDU-Führung muss auf dem Bundesparteitag in Hannover mit Widerstand gegen ihre Türkeipolitik sowie gegen ihre Linie beim Symbolthema Mindestlöhne rechnen. Bei dem Delegiertentreffen, das an diesem Montag beginnt, wollen Teile der Basis die CDU auf einen härteren Kurs gegenüber der Türkei festlegen, mit der die EU Beitrittsgespräche führt. Zehn Landes- und Kreisverbände haben Parteitagsanträge vorbereitet, um die CDU-Spitze zu Distanz zur türkischen Regierungspartei AKP zu verpflichten. Sie wollen verhindern, dass die AKP assoziiertes Mitglied in der Europäischen Volkspartei (EVP) wird. Bislang verfügt die Partei des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan lediglich über einen Beobachterstatus bei der EVP, einem Zusammenschluss konservativer Parteien in der Europäischen Union. Die CDU gehört zu den entscheidenden Kräften in der Europäischen Volkspartei. Anders als Teile der Basis hat sich die CDU-Führung dafür ausgesprochen, eine assoziierte Mitgliedschaft der AKP zumindest zu prüfen. Die Kritiker befürchten jedoch, es werde der CDU schwerer fallen, gegen eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei zu argumentieren, sollte die AKP assoziiertes Mitglied der EVP werden.

Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok sagte dem Tagesspiegel, der Parteitag in Hannover dürfe in der Frage einer möglichen Aufwertung der türkischen Regierungspartei in der EVP nicht das Signal aussenden, „dass wir die Vollmitgliedschaft der Türkei befürworten“. Dabei lehnte Brok eine assoziierte Mitgliedschaft der AKP nicht grundsätzlich ab: „Ich will das nicht komplett ausschließen, wenn das ein Signal für eine privilegierte Partnerschaft ist.“ Zuvor hatte die CDU-Basis darauf gedrungen, dass sich die Partei in ihrem neuen Grundsatzprogramm auf die privilegierte Partnerschaft zwischen EU und Türkei anstatt einer EU-Vollmitgliedschaft festlegt.

In diesem Sinne äußerte sich am Wochenende auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). „Wir wollen eine enge freundschaftliche Bindung der Türkei an die Europäische Union. Wir glauben, dass das Mittel der privilegierten Partnerschaft das Richtige ist“, sagte sie im Deutschlandfunk. Die SPD reagierte mit scharfer Kritik. Außenminister und Parteivize Frank-Walter Steinmeier sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Festlegung auf eine privilegierte Partnerschaft sei ein „schlimmer Vertrauensbruch“ gegenüber der Türkei.

Unmut herrscht in Teilen der Union auch über die Linie der CDU-Führung beim Streitthema Mindestlohn. Vor allem der Wirtschaftsflügel der Partei warnt nach der Einigung der großen Koalition auf einen Mindestlohn in der Postbranche in drastischer Form vor der Einführung weiterer Lohnuntergrenzen (siehe Interview). Allerdings haben die Wirtschaftspolitiker in der Union nach dem Rückzug ihrer Führungsfigur Friedrich Merz noch einmal an Gewicht verloren. Der frühere Unions-Fraktionschef hat seine Teilnahme an dem Delegiertentreffen in Hannover denn auch abgesagt. Dass der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger und sein sächsischer Amtskollege Georg Milbradt ihre Kritik an den Zugeständnissen der CDU-Führung an die SPD beim Mindestlohn in Hannover auf offener Bühne in scharfer Form äußern werden, wurde am Wochenende nicht erwartet, zumal sich Merkel kurz vor Parteitagsbeginn im Verein mit mehreren CDU-Ministerpräsidenten in Interviews grundsätzlich offen für Mindestlöhne in weiteren Branchen gezeigt hatte.

Beim Rundgang durch die Parteitagshalle am Sonntagnachmittag kündigte Merkel immerhin eine deutliche Abgrenzung zur SPD während des Treffens an. Ihr Generalsekretär Ronald Pofalla sprach gar von einer „roten Linie“, die es zu ziehen gelte. Sie soll freilich nicht beim Mindestlohn verlaufen, sondern „da, wo es in Deutschland um die Umsetzung von Sozialismus geht“.

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