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Der CDU-Politiker Christian von Stetten ist der schärfste Kritiker der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin.

© dpa/Sven Hoppe

CDU-Politiker von Stetten und die Flüchtlingspolitik: Merkels schärfster Kritiker kommt selbst unter Druck

Christian von Stetten hat mit drastischen Worten den Kurs der Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik angegriffen. Nun bekommt der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand Vorwürfe von den eigenen Leuten.

Von Antje Sirleschtov

Wenn Christian von Stetten die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin angreift, dann tut er das für gewöhnlich mit ganzer Kraft. Auf seiner Homepage klagt der CDU-Bundestagsabgeordnete über „Vergewaltiger“ unter den Flüchtlingen, prophezeit schon mal, dass es der Regierung nicht gelingen werde, „Zehntausende von Straftätern“, darunter selbst „verurteilte Mörder“, abzuschieben.

Und auch daran, dass er es war, der Angela Merkels Kurs schon im letzten Herbst als „Jahrhundertfehler“ bezeichnet hatte, erinnert Stetten Mitte Januar noch einmal, auf dass es nicht in Vergessenheit gerät. Kein anderer in der Fraktion von CDU und CSU hat sich in den letzten Monaten so unerbittlich als Kritiker seiner eigenen Kanzlerin hervorgetan.

Nun gerät der Kritiker selbst in die Kritik. Und zwar nicht etwa bei denen, deren Politikkurs er unermüdlich in Interviews und offenen Briefen anprangert, sondern bei denen, in deren Namen er diese Kritik anbringt: seinem eigenen Wahlkreis und auch dem Parlamentskreis Mittelstand (PKM) der Bundestagsfraktion, dessen Vorsitzender Stetten ist.

Im Regen stehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Sommerfest des Parlamentskreises Mittelstand. Rechts hinter ihr: Christian von Stetten.
Im Regen stehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Sommerfest des Parlamentskreises Mittelstand. Rechts hinter ihr: Christian von Stetten.

© Wiegand Wagner/imago

Überzogene Attacken auf Merkel werfen die CDU-Mitglieder ihm vor und auch, dass er sich in ihrem Namen zum Kanzlerinnen-Rebell aufschwingt.

Schon seit geraumer Zeit beobachten die Mitglieder des CDU-Kreisvorstands in Schwäbisch-Hall, der zum Wahlkreis Stettens gehört, mit Sorge, welche verheerende Wirkung die dauernden Angriffe ihres Bundestagsabgeordneten auf die Mühen der eigenen Leute haben, sich im Wahlkampf in Baden-Württemberg gegen die politischen Gegner durchzusetzen.

Den eigenen Leuten platzt der Kragen

Vergangene Woche – Stetten hatte an der Spitze einiger Unionsabgeordneter einen offenen Kritikbrief an Merkel geschrieben – platzte den Parteifreunden zu Hause dann der Kragen. Unmissverständlich wiesen sie Stetten in einem Schreiben darauf hin, er solle aufhören zu behaupten, sein Wahlkreis stehe hinter seiner Kritik an der Regierungschefin. „Das tun wir nicht“, schrieben sie und warfen ihm unverhohlen einen Hang zur Selbstdarstellung und sogar zum Populismus vor. Regelmäßig müssten sich die CDU-Wahlkämpfer in Baden-Württemberg fragen lassen, was ihr Abgeordneter denn zur Eindämmung der Flüchtlingszahlen vorschlage, klagten Stettens Leute. Und fragen diesen nun ihrerseits: „Stacheldraht? Mauer? Schießbefehle und lückenloses Minenfeld?“

Schon in der Woche zuvor hatte es ebenso harsche Kritik im Mittelstandskreis der Fraktion gegeben. Dem PKM gehören ungefähr die Hälfte der Fraktionsmitglieder an – vom Chef Volker Kauder bis hin zu einfachen Abgeordneten. Schon wegen seiner schieren Größe wird der PKM gern als „einflussreich“ beschrieben. Darf man doch annehmen, dass die Positionen, die der PKM-Chef vorträgt, mehr oder weniger von der Hälfte der Mitglieder der gesamten Unionsfraktion vertreten werden. Und Christian von Stetten hat bislang einen gegenteiligen Eindruck auch nicht erweckt.

Diesen Eindruck wollen die PKM-Mitglieder nun aber nicht mehr auf sich sitzen lassen. Denn schon hatte es besorgte Hinweise aus den Mittelstands- und Wirtschaftsverbänden gegeben, deren Interessen der PKM eigentlich vertreten will und die Merkels Politik nicht annähernd so negativ sehen. Von einem möglichen Imageschaden war die Rede und auch davon, dass die deutsche Wirtschaft den Regierungskurs schwer unterstützen könne, wenn gleichzeitig der Vorsitzende des Mittelstandskreises in der Regierungspartei diesen zur gleichen Zeit als „Jahrhundertfehler“ bezeichnet.

In der vergangenen Vorstandssitzung hagelte es denn auch kräftige Kritik an Stetten. Von Vorwürfen berichten Mitglieder, Stetten missbrauche den Parlamentskreis für seine eigenen Karrierepläne, überziehe mit seiner Kritik an Merkel und der Wortwahl und nehme dafür die halbe Fraktion in Mithaftung. An „deutliche Unmutsbekundungen“ erinnert man sich und „unmissverständliche Aufforderungen“ an den Vorsitzenden, in Zukunft seine Funktion als PKM-Chef nicht für persönliche Bekundungen zu nutzen. Kritik, die Frakionschef Kauder selbst härter nicht hätte formulieren können. Bis hin zu Austritten aus dem Parlamentskreis soll die Rede gewesen sein.

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