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Politik: CDU-Spendenaffäre: Falsche Fährten und viele Fragen

Fast zwölf Stunden lang hat der CDU-Spendenuntersuchungsausschuss den Zeugen Helmut Kohl in dieser und der letzten Woche gehört. Über eine Fülle von Details hat der Altkanzler geredet, über andere geschwiegen, um dritte herumgeredet.

Von Robert Birnbaum

Fast zwölf Stunden lang hat der CDU-Spendenuntersuchungsausschuss den Zeugen Helmut Kohl in dieser und der letzten Woche gehört. Über eine Fülle von Details hat der Altkanzler geredet, über andere geschwiegen, um dritte herumgeredet. Zeit für einen ersten Zwischenstand.

Erstens: Spenden. Der Ausschuss steht etwa dort, wo er angefangen hat. Kohl verschweigt hartnäckig seine angeblichen Spender, was Ausschussmitglieder in dem Verdacht bestärkt, dass das Geld nicht von ehrbaren Bürgern, sondern aus dunklen Quellen kam. Belegen lässt sich das nicht; so wenig wie die Aussage des Ex-CDU-Generalbevollmächtigen Uwe Lüthje, die Firma Siemens habe jahrelang Millionen in bar gespendet. Da Lüthje, wie er selbst eingestanden hat, schon in der Flick-Affäre seinen "Ersten Prinzipal" (Lüthje über Kohl) vor dem Rücktritt bewahrt hat, mag niemand ausschließen, dass er wieder eine falsche Fährte gelegt hat. Für Mutmaßungen, das Geld stamme aus dem Altbestand der Staatsbürgerlichen Vereinigung (SV), fehlen aber Belege.

Zweitens: Leuna, Minol und die Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien. Kohl hat ausführlich dargelegt, warum er für den Leuna-Verkauf an die französische ELF wie für die Lieferung von "Fuchs"-Spürpanzern an den Irak-Gegner Saudi-Arabien gute politische Gründe hatte. Insbesondere im Fuchs-Fall klingt das hoch plausibel. Es geht aber an der Sache vorbei. Niemand hat je geglaubt, dass Kohl die widerstrebenden Minister Stoltenberg (damals Verteidigung) oder gar Genscher (damals Auswärtiges) mit dem Hinweis zur Zustimmung bewogen habe, die CDU bekomme dafür eine Millionenspende von dem Vermittler Karlheinz Schreiber.

Dass dubiose Riesensummen geflossen sind, steht indessen außer Frage. An wen und wofür, ist noch zu klären. Dass Kohl davon vorher gewusst oder nachher erfahren und es gebilligt haben könnte, bleibt eine unbewiesene Vermutung. Auch für den Verdacht, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Verkauf der Eisenbahner-Wohnungen an ein deutsches Konsortium und einer Fünf-Millionen-Spende des an dieser Gruppe beteiligten Millionärspaars Ehlerding an die CDU gibt, fehlt jeder Beleg. Eher an Plausibilität verloren hat der Verdacht, dass Kohl sich auf Veranlassung Schreibers für eine Thyssen-Panzerfabrik ("Bear Head") in Kanada stark gemacht hat. Die vorliegenden Akten belegen eher eine normale Wirtschaftslobby-Tätigkeit einer Regierung gegenüber einer anderen. Fragen bleiben aber weiter offen.

Drittens: Was sonst geschah. Abseits vom "Schauplatz Kohl" beschert die Ausschussarbeit spannende Einblicke. Etwa in Wandel und Wirken der Ex-Staatssekretärin Agnes Hürland-Büning, die, kaum im Ruhestand, zur millionenwerten Waffen-Lobbyistin wurde. Noch schwebt auch die politisch spannende Frage unbeantwortet im Raum, ob im Streit über die Übergabe einer 100 000-Mark-Schreiber-Spende Ex-CDU-Fraktionschef Schäuble recht hat oder Ex-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister.

Viertens: Und weiter? Wenn nicht einer der zentralen Zeugen zur allgemeinen Überraschung sein Schweigen doch noch bricht; wenn nicht völlig neue Akten und Erkenntnisse auftauchen - dann wird der Ausschuss das Puzzlespiel höchstens zur Hälfte fertig legen können. Ob sich dann Konturen des Ganzen deutlicher zeigen, ist ungewiss. Viel spricht dafür, dass sich weder die Käuflichkeit der Regierung Kohl oder einzelner ihrer Mitglieder hieb- und stichfest nachweisen lässt noch das Gegenteil. Dass sich weder belegen lässt, dass Kohl das System der Schwarzen CDU-Kassen bis in Details gekannt und gelenkt hat, noch das Gegenteil. Kohl - wie vor ihm anderen Zeugen - ist es gelungen, für verdächtige Zitate und Notizen in Akten harmlose Erklärungen zu liefern. Andere Beweisstücke lassen Raum für fortgesetzten Verdacht. Das vorletzte Urteil wird womöglich die Justiz fällen. Das letzte aber bleibt wohl Kohls Lieblingsinstanz vorbehalten: der Geschichte.

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