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Politik: CDU-Spitze übernimmt Herzog-Papier

Sozialpolitiker legen Gegenentwurf vor – Vorstand beschließt Konzept aber fast einstimmig / Blüm: Merkels Welt ist nicht meine

Berlin (bib/cas/m.m.). Die CDUFührung hat sich mit großer Mehrheit hinter das Konzept der Herzog-Kommission zur Reform der sozialen Sicherungssysteme gestellt. Im CDU-Vorstand stimmten die Arbeitnehmer-Vertreter Hermann-Josef Arentz und Karl-Josef Laumann mit Nein, der Chef der Seniorenunion, Otto Wulff, enthielt sich. CDU-Chefin Angela Merkel sprach anschließend von einem „mutigen Schritt“. In der Gesundheits- und Pflegeversicherung vollziehe das Konzept einen „Paradigmenwechsel“, weil es die Finanzierung der Sozialsysteme vom Lohn abkopple. Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz hatte das Konzept mit den Worten begrüßt: „Heute ist der Anfang vom Ende der Sozialdemokratisierung der CDU.“

Bei der ersten Regionalkonferenz mit der Basis am Dienstag in Düsseldorf will Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm gegen Merkels Kurs kämpfen. Auch CSU-Chef Edmund Stoiber kritisierte die Herzog-Pläne. „Wenn also der Chef genauso eine Kopfpauschale bezahlt wie der Hausmeister, dann ist das schwierig“, sagte er dem Sender N 24. „Und das alles über Steuern auszugleichen, da sehe ich im Moment große Probleme.“

Der Chef der Sozialausschüsse CDA, Arentz, legte im Vorstand ein eigenes Konzept vor, das stärker an einer paritätischen Finanzierung der Kranken- und Pflegekasse festhält und Elemente der „Bürgerversicherung“ und des von Herzog vorgeschlagenen Prämienmodells kombiniert. Arentz sagte dem Tagesspiegel, „Knackpunkt“ des Herzog-Konzepts sei aus Sicht der Arbeitnehmerschaft, dass der Sozialausgleich in der Kranken- und Pflegeversicherung über Steuergelder finanziert werden solle. Es dürfe aber nicht sein, dass der Umfang der Solidarität jährlich im Bundeshaushalt neu ausgehandelt werden müsse. Arentz lehnte es ab, selbst geeignete Mittel zur Absicherung gegen willkürliche Festlegung der Ausgleichssumme zu nennen. „Da sind für mich diejenigen in der Bringschuld, die solche Vorschläge machen“, sagte er.

In der Diskussion in Präsidium und Parteivorstand gab es nach Angaben von Teilnehmern keine weitere prinzipielle Kritik an Merkels Festlegung auf das Herzog-Konzept. Auch die Kritiker von Arbeitnehmerseite hätten deutlich gemacht, dass sie ungeachtet ihrer Einwände im Detail keinen Grundsatzkonflikt mit der bisherigen Parteilinie sehen. Der Bericht der Kommission soll nun nach Merkels Worten „eins zu eins“ zum Leitantrag für den Parteitag am 1. Dezember in Leipzig werden. Bis Ende Oktober wollen Merkel und Meyer die Herzog-Modelle auf sechs Regionalkonferenzen mit der Basis diskutieren.

Blüm griff Merkel wegen ihrer vor kurzem dargelegten Grundsatzpositionen mit ganzer Härte an. Er sagte dem Tagesspiegel: „Die Welt der Angela Merkel ist nicht meine CDU. In dieser Welt bin ich nicht zu Hause. Und ich werde für meine CDU kämpfen. Die CDU wird nicht zum zweiten Mal erfunden, die gibt es schon, und ihre Grundwerte sind im Grundsatzprogramm niedergeschrieben. Das Grundsatzprogramm wird jetzt nicht zur Versteigerung preisgegeben. Sie reduziert Gerechtigkeit auf Verlässlichkeit. Das ist Unsinn. Verlässlich kann auch ein Verbrecher sein, aber gerecht ist er nicht. Und ohne Freiheit ist alles nichts? Freiheit ohne Gerechtigkeit kann ich mir vorstellen – die Freiheit des Tierreichs. Aber Gerechtigkeit ohne Freiheit ist nicht denkbar.“

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