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Politik: Chaos mit Kalkül

Das lang erwartete indische Anti-Korruptionsgesetz scheitert an einem Tumult im Oberhaus.

Von einem „Fiasko“ war die Rede, von „Betrug am Volk“ und von einer der „schwärzesten Nächte in der schillernden Geschichte von Indiens Demokratie“: Über Indiens Regierung und seinen Politikern ging am Freitag ein regelrechtes Wutgewitter nieder, nachdem in der Nacht zuvor eine Abstimmung über das lang erwartete Anti-Korruptionsgesetz an chaotischen Zuständen im Oberhaus gescheitert war. Die Opposition und viele Medien wähnten ein „abgekartetes Spiel“ der Regierungskoalition dahinter. Diese habe gezielt Chaos in der 13-stündigen Sitzung geschürt und die Debatte in die Länge gezogen, um die Abstimmung über das Gesetz zu verschieben – viele fürchten: auf den St. Nimmerleinstag. Dagegen warf die Regierung der Opposition Blockadepolitik vor.

Viele Inder sehen sich nach dem Spektakel im Oberhaus in dem Verdacht bestätigt, dass Indiens Politiker unwillens sind, die grassierende Korruption einzudämmen, weil sie selbst zu den größten Absahnern zählen. Das Gesetz sieht die Bildung einer unabhängigen Ombudsbehörde vor, die gegen korrupte Politiker und Beamte ermitteln soll. Erst am Dienstag hatte das Unterhaus die Novelle gebilligt. Doch im Oberhaus fehlt der Regierung eine Mehrheit. Nicht nur die Opposition drang auf zahllose Änderungen. Auch ausgerechnet der wichtigste Koalitionspartner der Regierung, die Trinamool-Kongresspartei, legte sich urplötzlich quer und wollte Änderungen.

Der Tumult erreichte seinen Höhepunkt, als ein Politiker einer regierungsnahen Partei das Gesetz vor aller Augen zerriss. Trotz des Protests der Opposition beendete der Tagungspräsident um Mitternacht die Debatte ohne Abstimmung. „Um Mitternacht wurde das Gesetz eingeschläfert“, titelte die Zeitung „Times of India“. Die Opposition und viele Analysten wittern ein „zynisches Drehbuch“ dahinter. Die Regierung habe gezielt eine Abstimmung verhindert, weil die Opposition ihre Änderungen durchgebracht hätte. Die Kongresspartei verteidigte dagegen die Vertagung. Es habe die Zeit gefehlt, um die über 180 Änderungen zu beraten. Man werde das Gesetz in der neuen Sitzungsperiode ab Ende Februar wieder aufgreifen.

Alle Versuche, die Korruption mit schärferen Gesetzen einzudämmen, scheiterten in den vergangenen 40 Jahren an den Politikern. Dabei gilt die Korruption als die größte Bremse für den Aufstieg des bitterarmen Landes. Die Regierung hatte das Anti-Korruptionsgesetz erst auf den Weg gebracht, nachdem der „Gandhianer“ Anna Hazare mit einem Hungerstreik eine Protestlawine lostrat. Das Scheitern im Oberhaus dürfte Hazare neue Munition für seine Kampagne liefern. Die Regierung gibt derzeit kein gutes Bild ab. Sie wirkt konfus und wie gelähmt. Bereits vor einem Monat hatte die Kongresspartei eine peinliche Schlappe erlitten, als ihre Koalitionspartner ihre Pläne stoppten, Indien für Supermarkt-Giganten wie Wal-Mart zu öffnen.

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