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Charlotte Knobloch: Konsequent, mutig, streitbar

Sie ist Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses und des Europäischen Jüdischen Kongresses und die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München. Heute feiert Charlotte Knobloch ihren 75. Geburtstag.

Es gibt vermutlich nicht nur eine Charlotte Knobloch, sondern viele. Es gibt die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, die Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses und des Europäischen Jüdischen Kongresses, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München... Und die Charlotte Knobloch, die sich persönlich kümmert, wenn ein Gemeindemitglied in Not gerät, die jede Woche ihre Sprechstunde für osteuropäische Einwanderer abhält. Ab sieben Uhr morgens ist sie erreichbar, ihr Terminkalender ist oft bis Mitternacht gefüllt. Heute wird Charlotte Knobloch 75 Jahre alt.

Sie fing spät an mit der beruflichen Karriere. 1987, die zwei Töchter und der Sohn hatten bereits ihr Studium abgeschlossen, gewann sie bei den Wahlen zum Vorstand der jüdischen Gemeinde in München die meisten Stimmen, obwohl sie keine Werbung für sich gemacht hatte. Viele kannten sie einfach, weil sie da war, wenn etwas zu tun war, weil sie zupackte, ohne lange zu diskutieren, mütterlich und bestimmt.

Als sechsjährige sah sie die Synagoge brennen

Auch nachdem die kleine, energische Frau vor zwei Jahren zur Präsidentin des Zentralrats gewählt wurde, ist München ihr Bezugspunkt geblieben. "Ich habe meine Koffer nun ausgepackt“, sagte sie vergangenes Jahr, als das neue jüdische Zentrum in Münchens Innenstadt eröffnet wurde. 20 Jahre lang hatte sie gekämpft und viele Widerstände überwunden, damit die jüdische Gemeinde wieder ins Herz der Stadt ziehen konnte – als Zeichen, dass die jüdische Gemeinschaft angekommen ist in der Mitte der Gesellschaft. Und als ihr ganz persönliches Nachhausekommen.

Als Sechsjährige sah sie an der Hand ihres Vaters in München die Synagogen brennen. Sie überlebte den Terror der Nazis bei einer katholischen Bauernfamilie in Franken, das ehemalige Dienstmädchen ihres Onkels hatte sie als ihr uneheliches Kind ausgegeben. Die Erinnerung an diese Zeit hat Knobloch geprägt. Eine Umfrage, wonach ein Viertel der Deutschen der Nazizeit auch gute Seiten abgewinnen kann, hat sie schockiert: „Ich habe diese Jahre miterlebt und konnte nichts Gutes daran feststellen.“

Mixa, Meisner, Oettinger und Herman sind ihr suspekt

Die Eva Hermans dieser Welt sind ihr deshalb ebenso suspekt wie die Oettingers, Mixas und Meisners. Wenn sie antisemitische oder antiisraelische Tendenzen wahrnimmt, reagiert sie harsch. Immer häufiger fordert die Zentralratspräsidentin den Rücktritt von jemandem. Die einen loben sie als mutige und konsequente Mahnerin, andere kritisieren, die Mahnungen seien zu erwartbar und liefen bisweilen ins Leere.

Aber sie will ja auch gar nicht immer nur streiten. Sie will auch ermutigen, zum Beispiel zu mehr Patriotismus in Deutschland. Zu einem Patriotismus, der Christen, Juden, Muslime und Atheisten vereint. Denn sie wünscht sich ein „wirklich unbefangenes und friedliches Miteinander von jüdischen und nichtjüdischen Bürgern“. Das geht nicht von heute auf morgen. Das weiß sie. Aber sie wäre nicht Charlotte Knobloch, ließe sie sich davon entmutigen.

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