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Politik: Chatami-Besuch: Damit Irans Reformer den Machtkampf gewinnen (Gastkommentar)

Der iranische Staatspräsident Chatami kommt Anfang nächster Woche nach Berlin. Ein bei uns nicht unumstrittener Besuch, denn die Menschenrechtssituation im Iran ist, nach wie vor, alles andere als rosig.

Der iranische Staatspräsident Chatami kommt Anfang nächster Woche nach Berlin. Ein bei uns nicht unumstrittener Besuch, denn die Menschenrechtssituation im Iran ist, nach wie vor, alles andere als rosig. Aber dennoch ganz eindeutig ein richtiger, ein wichtiger Besuch, und das zur richtigen Zeit. Eine Verschiebung wäre falsch und nicht vertretbar.

Denn Iran ist ein außerordentlich wichtiges Land in der Region. Und Chatami steht für einen neuen Iran. Nicht als demokratischer Radikalreformer, aber als moderater Öffner des Landes nach außen und als vorsichtiger Liberalisierer auch im Innern. Der Umbruch ist überall sichtbar, gerade was das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf eine kritische Presseberichterstattung angeht. Und die ist immer ein wichtiger Einstieg in weitere Liberalisierungen. Die Zensur wird im Iran zwar nicht auf einen Schlag aufgehoben werden, aber die Journalisten werden sich nach und nach ihre Freiheit erstreiten.

Chatami braucht Unterstützung, damit er seine Stellung halten und den Machtkampf im Iran gewinnen kann. Seine Reformer haben im Februar die Parlamentswahlen gewonnen. Sie wissen gerade die jungen Menschen und viele Frauen hinter sich. Aber die Fundamentalisten um den Religionsführer Chamenei haben längst noch nicht aufgegeben. Nach wie vor ist Teheran ein theokratisches System, der orthodox-konservative Klerus verfügt weiter über ein erhebliches Machtpotenzial.

Chatamis Besuch in Deutschland wird seine Stellung nach innen stärken, den Prozess der Öffnung nach außen untermauern und dem Iran helfen, aus seiner internationalen Isolation herauszufinden. Deutschland kommt als altem Partner und Freund der Iraner mit unseren langen, traditionell engen kulturellen, universitären, wirtschaftlichen und auch politischen Verbindungen eine besonders wichtige Rolle zu. Zudem wartet unsere Wirtschaft nur darauf, an die lange Zeit auf Eis liegenden Handelsbeziehungen wieder anknüpfen zu können.

Eine besondere Herausforderung ist der Besuch Chatamis für Außenminister Fischer. Der ist in seiner Oppositionszeit als Menschenrechts-Gladiator gerade gegenüber dem Iran immer besonders großspurig aufgetreten, hat mir als seinem Vorgänger "Anbiederung" an Teheran vorgeworfen und meinen Rücktritt gefordert. Was nun, Herr Fischer? Er scheint jetzt in der Wirklichkeit angekommen zu sein, begrüßt und verteidigt den Besuch Chatamis, will die Beziehungen zum Iran ausbauen.

Nur muss Fischer seine Läuterung vom "Saulus zum Paulus" auch in der Praxis umsetzen. Er darf bei seinen Gesprächen mit Chatami nicht kneifen, muss die Menschenrechtsfragen offen ansprechen und kritisieren. Vor einer Woche sind im Iran 13 Juden als angebliche israelische Spione zu Haftstrafen verurteilt worden, bei unklarer Beweislage und ohne ein rechtsstaatlich sauberes Verfahren. Hinrichtungen, Todesurteile, Auspeitschungen, willkürliche Gerichtsverfahren und die Diskriminierung religiöser Minderheiten sind im Iran weiter an der Tagesordnung. Für die Rechtsstaatlichkeit und die Beachtung der Menschenrechte im Iran ist die politische Führung des Landes zuständig - dafür muss sie auch geradestehen.

Das müssen Bundeskanzler Schröder und sein Außenminister dem iranischen Präsidenten deutlich sagen. Samtpfoten-Politik wie gegenüber Russland in der Tschetschenien-Frage reicht hier nicht. Bei allen Hoffnungen auf eine bessere Zukunft des Iran und der deutsch-iranischen Beziehungen: Im Umgang mit diesem wichtigen aber nach wie vor schwierigen Partner muss die Menschenrechtspolitik Richtschnur bleiben. Es ist traurig, dass man das bei einem grünen Außenminister immer wieder anmahnen muss!

Klaus Kinkel

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