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Politik: Chefsache Umwelt

Die Unwetterkatastrophe rückt unversehens die Ökologie ins Zentrum des Wahlkampfes

Von Antje Sirleschtov

„Mit dem Leid der Menschen“ will Kanzler Gerhard Schröder „keinen Wahlkampf führen“. Das zumindest sagte er am Mittwoch bei der Diskussion über Hochwasserhilfen am Kabinettstisch – und befand sich mit der Äußerung mitten in den Auseinandersetzungen der Parteien vor der Bundestagswahl. Nach Bonusmeilen, Hartz-Konzept und Irak-Einsatz geht es jetzt um die Umweltpolitik. Und alle Parteien nutzen, auch wenn es zynisch anmutet, die Flutkatastrophe zu Auseinandersetzungen über dieses Thema.

Längst überfällig sei die Debatte über umweltpolitische Ziele der Parteien ohnehin, sagte der Münchner Bürgermeister und Grünen-Politiker Hep Monatzeder am Mittwoch in einem Interview. In der Regierungsverantwortung hätte seine Partei in den vergangenen Jahren eine Menge richtungsweisender Entscheidungen zum Teil mit harten Kämpfen durchboxen müssen. Nun, im Wahlkampf, vermisse die Parteibasis allerdings, dass die Grünen-Führung das Thema Umweltschutz aktiv in den Wahlkampf einbringe. In der Tat spielten Außen- und Familienpolitik bisher weit größere Rollen im Wahlkampf der Führungsmannschaft. Auch Verbraucherministerin Künast wurde mehr in den Vordergrund gespielt als ihr Kabinettskollege Trittin und dessen Themen.

Dabei hätte es Gelegenheiten zur Genüge gegeben. Schon seit Wochen bringen Unionspolitiker Umweltthemen ins Gespräch. So positionierte sich die Oppositionspartei erst in Sachen Atompolitik und kündigte an, „zumindest im Forschungsbereich“ eine Belebung der Atomenergie-Branche im Falle eines Wahlsieges durchzusetzen. Und auch die umstrittenen Gesetze der rot-grünen Regierung zur Förderung der erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung will die Union überprüfen. Dass es im Kompetenzteam von CDU/CSU-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber für beinahe jeden Bereich einen Verantwortlichen gibt, nur nicht für die Umweltpolitik, begründete CDU-Chefin Angela Merkel am Mittwoch trocken mit dem Hinweis, „das ist Chefsache“.

Nun allerdings – im Angesicht steigender Flusspegel – besinnen sich auch die Grünen stärker des Umweltthemas. Auch er wolle vor allem „helfen statt wahlkämpfen“, sagte Trittin am Mittwoch in Berlin. Das Wort wolle er sich dennoch vom Kanzler nicht verbieten lassen. „Denn die Menschen sprechen vor der Wahl über Umweltpolitik.“ Dennoch blieb Trittin vorsichtig: Umfassend lobte er die umweltpolitischen Entscheidungen der vergangenen Jahre, die „entscheidend dazu beigetragen haben, dass Deutschland schon 19 Prozent weniger Treibhausgase ausstößt als 1990“. Werde seine Politik fortgesetzt, könne das Ziel, den Wert auf 21 Prozent bis 2012 zu steigern, gewiss erreicht werden.

Wie das aber mit der Ökosteuer unterstützt werden soll, dazu bekannte er sich nur wolkig. Seinem Parteikollegen und umweltpolitischen Fraktionssprecher Reinhard Loske, der eine schrittweise Anhebung der Ökosteuer um drei Prozent jährlich gefordert hatte, wollte sich Trittin nicht anschließen. Man werde nach dem nächsten Erhöhungsschritt 2003 Wirkung und Mechanismen der Ökosteuer überprüfen, sagte Trittin. Dabei gehe es aber „um das Wie und nicht um das Ob“. Die Hochwasserkatastrophe zeigt für Trittin „die vom Menschen mitverursachte globale Erwärmung“. Er forderte eine aktive Klimaschutzpolitik und wirksamen Hochwasserschutz.

Weit kritischer ging Grünen-Chefin Roth mit dem politischen Gegner um. Die CDU habe in der Vergangenheit sämtliche rot-grünen Umweltprojekte abgelehnt. Dass Unionskandidat Stoiber in seiner Wahlmannschaft niemanden für den Bereich Umweltpolitik nominiert habe, zeige „Ignoranz und Inkompetenz“. Die Äußerungen Merkels, Stoiber habe die Umweltpolitik zur „Chefsache“ gemacht, ließ Roth nicht gelten. Dies sei „ein peinlicher Versuch, zurückzurudern“.

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