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Politik: Chile: Rückendeckung für Pinochet

Einmal mehr hat sich Augusto Pinochet nur durch Flucht in das Militärkrankenhaus der angeordneten erkennungsdienstlichen Erfassung entziehen können. Nun kommt ihm Staatsanwalt Razol Rocha vom Berufungsgericht in der Hauptstadt Santiago entgegen.

Einmal mehr hat sich Augusto Pinochet nur durch Flucht in das Militärkrankenhaus der angeordneten erkennungsdienstlichen Erfassung entziehen können. Nun kommt ihm Staatsanwalt Razol Rocha vom Berufungsgericht in der Hauptstadt Santiago entgegen. Vergangenen Dienstag empfahl der Jurist, das Verfahren gegen den 85-jährigen Ex-Diktator aus gesundheitlichen Gründen einzustellen. Pinochet steht wegen seiner Verstrickung in die Ermordung von 57 und der Entführung weiterer 18 Regimegegner vor Gericht.

Nach dem Militärputsch im September 1973 hatte der Diktator das südamerikanische Land sechzehn Jahre lang mit eiserner Hand regiert. Besonders in der Anfangszeit ging sein Regime hart gegen politische Gegner vor, Tausende wurden ermordet, verschleppt, eingesperrt oder ins Exil getrieben. Gerne rühmte er sich, in Chile bewege sich kein Blatt, ohne dass er es wüsste. Auch nach seiner Abwahl nahm er ab 1990 als Oberbefehlshaber der Armee wiederholt Einfluss auf die Geschicke im Land.

Erst der eineinhalbjährige Hausarrest in London beendete die Unantastbarkeit des einst allmächtigen Generals. Der spanische Richter Baltazar Garzon hatte Anklage gegen Augusto Pinochet erhoben, im Oktober 1998 nahmen ihn Scotland-Yard-Agenten nach einer Bandscheibenoperation fest. Zur Enttäuschung seiner Opfer ließ ihn der britische Innenminister Jack Straw allerdings im März des vergangenen Jahres wieder nach Hause zurückkehren: Der Gesundheitszustand des greisen Generals erlaubte nach englischem Recht kein Gerichtsverfahren. Nach Meinung von Experten litt dieser an einer mittelgradigen Einschränkung der Hirnleistungsfähigkeit.

In der Zwischenzeit hatte sich in seiner chilenischen Heimat jedoch einiges geändert. Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes fallen Entführungen nur dann unter das Selbstamnestiegesetz der Militärs, wenn die Verschleppten wieder aufgetaucht sind - tot oder lebendig. Dadurch wurde der Weg frei, auch in Chile Anklage gegen Augusto Pinochet zu erheben. Im Unterschied zu Großbritannien ist dort geistige Unzurechnungsfähigkeit der einzige Grund, ein Verfahren einzustellen. Obwohl das der einfachste Weg gewesen wäre, scheuten sich Pinochets Anwälte und uniformierten Kollegen, die Verwirrtheit ihres einstigen Idols einzugestehen. Nun hat Staatsanwalt Rocha die Weichen in diese Richtung gestellt, die endgültige Entscheidung darüber steht allerdings noch aus.

Das Thema Pinochet dürfte am Rande auch bei den Gesprächen des chilenischen Präsidenten Ricardo Lagos mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer zur Sprache kommen. An diesem Donnerstag kommt das Staatsoberhaupt in Begleitung mehrerer Minister zu einem zweitägigen Staatsbesuch nach Berlin. Neben bilateralen Fragen steht der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland und der Europäischen Union auf der Tagesordnung.

Besondere Bedeutung in den Gesprächen nimmt dabei die Umwelttechnologie ein: Präsident Lagos wird auch eine Müllbeseitigungsanlage im Berliner Stadtteil Ruhleben besuchen.

Jens Holst

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