zum Hauptinhalt

Chile: Trauer, Freude und Krawall

In Chile haben sich Polizei und Demonstranten nach dem Tod des ehemaligen Diktators Pinochet heftige Straßenschlachten geliefert. Die chilenische Regierung lehnt ein Staatsbegräbnis für den Ex-Machthaber ab.

Santiago de Chile - In Santiago de Chile zogen am Montag rund 5000 Pinochet-Gegner über die Hauptverkehrsstraße Alameda auf den Präsidentenpalast zu. Die Kundgebung verlief zunächst friedlich. Manche Demonstranten hielten sich mit ihrer Freude über den Tod des Ex-Machthabers nicht zurück, feierten die "Befreiung Chiles" und riefen "Es ist Karneval! Der General ist tot!". Als die Polizei die Menge mit Wasserwerfern und Tränengas am Marsch auf den Präsidentenpalast hindern wollte, warfen Demonstranten mit Steinen und Flaschen nach den Sicherheitskräften. Andere rissen Ampelanlagen nieder und zerstörten Fensterscheiben. Nach Behördenangaben wurden mindestens sechs Polizisten verletzt. Es gab mehrere Festnahmen. Auch in anderen chilenischen Städten gab es laut Polizei Kundgebungen von Pinochet-Gegnern. Diese verliefen weitgehend friedlich.

Vor dem Militärkrankenhaus, in dem Pinochet am Sonntag im Alter von 91 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben war, versammelten sich rund 2000 Anhänger des früheren Machthabers, um ihrer Trauer Ausdruck zu geben. Der Leichnam Pinochets wurde am Montag in die Militärakademie überführt. Dort solle er bis zur Beisetzung am Dienstag aufgebahrt werden.

Keine Staatstrauer

Der Ex-Machthaber sollte nach dem Willen der Regierung von Präsidentin Michelle Bachelet kein Staatsbegräbnis bekommen, sondern lediglich als ehemaliger Oberbefehlshaber der Armee mit militärischen Ehren beigesetzt werden. Eine Staatstrauer sollte es ebensowenig geben. In den Kasernen wurde allerdings Halbmast geflaggt.

Pinochet war wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen angeklagt und Ende November im Zusammenhang mit Ermittlungen im Fall der "Todeskarawane" erneut unter Hausarrest gestellt worden. Die Justiz ermittelte dabei wegen der Verschleppung zweier Menschen während eines Militäreinsatzes gegen Oppositionelle nach dem von Pinochet im September 1973 angeführten Putsch gegen den demokratisch gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende. Militär und Polizei töteten während Pinochets Gewaltherrschaft von 1973 bis 1990 laut Schätzungen mehr als 3000 Menschen. Laut einem offiziellen Bericht wurden bis zu rund 30.000 Pinochet-Gegner eingesperrt und gefoltert.

"Tag der Menschenrechte"

Das chilenische Berufungsgericht erklärte am Montag alle laufenden Verfahren gegen den Gestorbenen für eingestellt. Menschenrechtler äußerten Bedauern darüber, dass Pinochet für die ihm zur Last gelegten Verbrechen nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden könne. Eine Sprecherin von Amnesty International sagte in London, der Tod Pinochets müsse für die Behörden in Chile und Regierungen weltweit ein Signal sein, die juristische Aufarbeitung vom Menschenrechtsverletzungen künftig schneller voranzutreiben. Peruanische Menschenrechtler bezeichneten es als "ironischen Zufall", dass Pinochet ausgerechnet am "Tag der Menschenrechte" starb.

Die USA bekundeten ihre Solidarität mit den Opfern der Militärdiktatur. Die Pinochet-Diktatur sei eine der schwierigsten Zeiten in der Geschichte Chiles gewesen, sagte ein Sprecher von US-Präsident George W. Bush. Der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva sagte, die Ära Pinochet symbolisiere "eine düstere Phase in der Geschichte Südamerikas". Die frühere britische Regierungschefin Margaret Thatcher allerdings zeigte sich "tief betrübt" über den Tod von Pinochet. Der Diktator hatte die Regierung Thatcher während des Falkland-Kriegs gegen Argentinien 1982 unterstützt. (tso/AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false