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China

© AFP

China: "Aber eines Tages haben wir Demokratie"

Am 8. August 2008 werden die Olympischen Spiele in Peking eröffnet. Bürgerrechtler Teng Biao fürchtet noch mehr Druck von Chinas Regierung.

Teng Biao ist Bürgerrechtler, Demokrat, ein unabhängiger Freidenker und damit ein Gegner der chinesischen Regierung. Im Januar wurde ihm der Pass abgenommen. Anfang März haben ihn Sicherheitsbehörden abgeholt und 48 Stunden lang festgehalten. Sie drohten mit zehn Jahren Haft und warnten ihn davor, mit ausländischen Medien zu sprechen. Doch genau das sieht Teng Biao als seine Pflicht.

„Ich bin bereit, Opfer zu bringen. Ich will Menschenrechtsarbeit machen, und ich weiß, dass ich dafür ins Gefängnis kommen kann“, sagt er bei einem Gespräch mit Journalisten im Mai in einem Hotel in Peking. „Doch vorher werde ich meinen eigenen Weg in diesem Land gehen.“ Zwei Stunden dauerte damals das Treffen, Teng Biao verließ unbehelligt das Hotel. Keine Woche später verliert er seine Anwaltslizenz. Die Behörden haben sie nicht verlängert – aus politischen Gründen. Teng Biao war in zu viele Menschenrechtsfälle verwickelt, hat zu oft Tibet verteidigt, zu oft den Mund aufgemacht.

Wie an jenem Samstag im Hotel. Die feuchte Hitze hat das enge Zimmer in einen Glutofen verwandelt, Teng Biao schwitzt trotzdem kaum. Er wirkt ruhig und gefasst. Neben ihm liegt sein Handy, damit können ihn die Sicherheitsbehörden sofort orten. „Bis die Olympischen Spiele beendet sind, werden Menschenrechtsaktivisten in China eine harte Zeit erleben“, sagt er. „Die Regierung wird sie genau beobachten, bestrafen und sie ins Gefängnis stecken.“

Im Oktober hat er in einem offenen Brief die politische Unterdrückung vor den Olympischen Spielen beklagt. Über ein halbes Jahr später hat sich nichts geändert. Verhaftungen von Menschenrechtsaktivisten und Einschüchterungsmaßnahmen häufen sich. „Wenn wir die Olympischen Spiele nicht nutzen können, um über Menschenrechte zu sprechen, Druck auszuüben und den politischen Wandel anzutreiben, haben sie nichts gebracht“, sagt er und wirkt dann doch etwas resigniert.

Tatsächlich ist Teng Biao auch ziemlich enttäuscht. Vom Internationalen Olympischen Komitee, weil es die Spiele als reine Sportveranstaltung sehe und so tue, als könne man die Politik ausblenden. Von westlichen Politikern, weil sie sich der chinesischen Regierung unterwerfen würden, sobald es um wirtschaftliche Vorteile gehe. „Doch wirtschaftlicher Fortschritt wird nicht automatisch zu Demokratie führen“, sagt er. „Das politische System ändert sich nur langsam.“ In China gibt es nach wie vor keine Meinungsfreiheit, keine unabhängige Justiz, keine freie Presse. „Wenn wir uns selbst nicht darum bemühen, werden wir zwar den wirtschaftlichen Fortschritt beibehalten, aber keinen politischen Wandel bewirken.“

Was Teng Biao tut und sagt, ist äußerst mutig, doch äußerlich hat er so gar nichts Aufrührerisches. Der zierliche Mann mit der randlosen Brille und dem dezenten Karohemd erinnert eher an einen stillen Klassenprimus. Vermutlich hätte er mit seiner Begabung auch Karriere in der Partei oder der Regierung machen können. Doch stattdessen verfolgen ihn jetzt an manchen Tagen Mitarbeiter des Büros der Öffentlichen Sicherheit quer durch die Hauptstadt.

Jetzt, nachdem er seine Anwaltslizenz verloren hat, muss er sich eine neue Strategie suchen. „Ich werde das Recht nutzen, um mein Recht zu verteidigen“, sagt er in einem Telefonat. Der Druck der Regierung sei groß, aber er werde seine Arbeit fortsetzen und notfalls juristische Schritte einleiten, gibt sich Teng Biao optimistisch. Morgen, am 4. Juni ist der Jahrestag des Tiananmen-Massakers von 1989. Bis heute verbietet die Regierung jede Berichterstattung darüber. Doch um das Leben eines Dissidenten zu führen, braucht es Hoffnung. „Eines Tages wird der Traum von Demokratie wahr werden“, sagt Teng Biao. „Mein Kind wird das erleben, und ich auch noch.“

Stephanie Puls[Peking]

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