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Der Volkskongress in China ist von Gerüchten überschattet.

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China: Bericht über möglichen Staatsstreich gegen kommunistische Führung

Droht Xi Jinping der Sturz? Geht es mit den Kommunisten bergab? Die Tagung des chinesischen Volkskongresses wird überschattet von Spekulationen über heftigen Widerstand gegen den Parteichef. Der China-Kenner David Shambaugh berichtet über die Möglichkeit eines Staatsstreichs.

Naht das Ende der kommunistischen Herrschaft in China? Ja, glaubt David Shambaugh. Die Schlussphase sei „weiter fortgeschritten als viele denken“, analysiert der renommierte Professor der George Washington Universität. Die düstere Einschätzung des Autors mehrerer China-Bücher ist eine überraschende Kehrtwende für Shambaugh, der nicht gerade als Untergangsprediger bekannt ist und in Chinas Staatsmedien gerne als „führender“ und „umsichtiger“ Kenner des Milliardenreiches gepriesen wurde.
„Ich würde die Möglichkeit nicht ausschließen, dass Xi Jinping durch einen Machtkampf oder Staatsstreich gestürzt wird“, setzt Shambaugh in seinem Artikel für das „Wall Street Journal“ sogar noch einen drauf. Der „rücksichtslose“ Staats- und Parteichef stelle das Land vor eine Zerreißprobe. Mit der Unterdrückung kritischer Stimmen und der Kampagne gegen Korruption „überreizt er seine schlechten Karten“ und bringe wichtige Kräfte in Partei, Staat, Militär und Geschäftswelt gegen sich auf, schreibt Shambaugh. Unklar ist aber, wann es zu einem solchen Staatsstreich kommen könnte.
Seine Analyse schlägt während der bis Sonntag laufenden Jahrestagung des Volkskongresses in Peking hohe Wellen. Zum Auftakt wurde die Rekordzahl von 39 Abgeordneten wegen Korruption ihrer Ämter enthoben.
Die Angst geht um. „Wer sauber ist, hat nichts zu befürchten“, beteuert der Delegierte Chen Guanghui aus Anhui in der Großen Halle des Volkes. „Jeden kann es treffen“, warnt aber ein hohes Mitglied des Volkskongresses, das namentlich nicht genannt werden will.

Der Machtkampf ist nicht entschieden

„Die Frage ist nicht allein, gegen wen ermittelt wird, sondern wer dann mit ihm untergeht“, verweist ein Beamter des Außenministeriums auf die Verflechtungen im chinesischen System, das durch „Guanxi“, sprich Beziehungen, funktioniert. Ein Mitglied einer einflussreichen chinesischen Familie sagt, nicht nur „Tiger“ und „Fliegen“ - hohe Politiker und einfache Beamte - müssten dran glauben, sondern auch „Spinnen“, die große Netzwerke aufgebaut hätten. „Xi räumt auf.“ Der Kampf gegen korrupte Kader ist populär. Er sichert Loyalität und festigt die Kontrolle der Partei. Ein Symbol der Stärke und Schwäche zugleich, weil damit auch Ränkespiele in der Führung ausgetragen werden. Zwei Jahre nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten ist der Machtkampf noch nicht entschieden - gewinnt eher an Schärfe. Mit dem Vorgehen gegen Sicherheitsapparat und Militär schafft sich Xi Jinping mächtige Feinde. Er stürzte den Ex-Sicherheitschef Zhou Yongkang, Mitglied im ständigen Ausschuss des Politbüros, und den Vizechef der Militärkommission, General Xu Caihou. Und mit ihm ein Dutzend Generäle - ein beispielloser Vorgang in Chinas Geschichte. Der neue Präsident witterte wohl Gefahr. „Militär und Staatssicherheit sind die beiden Apparate, die ihm bedrohlich werden können“, sagt der kritische Kommentator Zhang Lifan. „So wird er beide Systeme säubern, bis er sich sicher fühlt.“ Aber auch die Partei widersetze sich. „Der Widerstand innerhalb des Systems ist enorm - und es wird noch schwieriger, je weiter es geht.“ Unheil drohte schon auf der Sitzung des Zentralkomitees im Oktober, wie der Staats- und Parteichef selbst vor einigen Wochen enthüllte.

Schwaches Wirtschaftswachstum gefährdet die politische Stabilität

Einige Teilnehmer hätten geheime Absprachen getroffen und „Cliquen und Fraktionen gebildet oder sogar Gerüchte gestreut“, beklagte Xi Jinping in seltener Offenheit. Nicht zufällig propagiert der Parteichef seither die „umfassende, strikte Führung der Partei“ als Kern seiner neuen Doktrin der „Vier umfassenden Grundsätze“.
Die Stabilität wird auch durch das schwache Wirtschaftswachstum infrage gestellt. Die Umsetzung groß angekündigter Reformen, die Marktkräfte freisetzen sollen, lässt auf sich warten. So greift Xi Jinping auf revolutionäre Tugenden zurück: Ein Personenkult, der seinen Vorgängern fremd war und eher an den „großen Steuermann“ Mao Tsetung erinnert, soll jetzt seine Position festigen.
Mehr Bürgerrechtler als je zuvor wurden in Haft gesteckt - und ihre Anwälte gleich mit. Statt das „Denken zu befreien“, wie der große Reformer Deng Xiaoping einst gefordert hatte, wird an den Universitäten gegen „westliche Werte“ gewettert, als wäre Karl Marx kein Ausländer gewesen. Die harte Hand gilt „eher als Zeichen der Schwäche“, wie ein westlicher Botschafter sagt. „Das politische System selbst ist ein Hindernis für Reformen.“ (dpa)

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