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Bo Xilai (links) steht seit Donnerstag vor Gericht.

© AFP

China: Bo Xilai gibt sich kämpferisch

Zum Auftakt seines Prozesses scheint der frühere chinesische Polit-Star Bo Xilai ungebrochen. Doch Chinas zynische Öffentlichkeit vermutet hinter dem offenen Schlagabtausch im Gerichtssaal in Jinan im Osten des Landes ein abgekartetes Spiel.

Vor dem Prozess hätte keiner damit gerechnet, dass Bo Xilai zum Auftakt des Verfahrens seine gewohnt geschmeidige Art an den Tag legen würde. Doch als der Prozess gegen den gefallenen chinesischen Polit-Star am Donnerstag in der Stadt Jinan im Osten des Landes beginnt, meldet sich Bo Xilai als meisterhafter Redner zurück: Mit einem spöttischen Lächeln führt er an seinem ersten Verhandlungstag die Staatsanwaltschaft vor. „Sie machen in Ihrer Argumentation einen logischen Fehler“, maßregelt Bo die Vertreter der Anklage. Die Richter ziehen erstaunt die Augenbrauen hoch. Die mögliche Höchststrafe ist der Tod – da zeigen sich die Angeklagten in Chinas gut vorbereiteten Schauprozessen meist demütig und einsichtig.

Mit dem Auftritt von Bo zum Prozessauftakt ist auch die Frage beantwortet, in welchem Zustand der gestürzte Spitzenpolitiker die Keller der parteiinternen Ermittler wieder verlassen würde. Karikaturen haben ihn bereits grauhaarig und gebrochen gezeigt. Einen anderen Hinweis hatte der Prozess gegen seine Frau Gu Kailai geliefert. Diese hatte sich in vollem Umfang geständig gezeigt, um der Höchststrafe zu entgehen.

Bo und Gu waren einst das glitzerndste politische Paar Chinas. Nach Erfolgen als Minister und Provinzchef hatte sich Bo bereits Hoffnungen gemacht, Präsident zu werden. Doch die Träume waren geplatzt, nachdem Gu einen Geschäftspartner vergiftet hatte. Bos politische Gegner haben die Gelegenheit genutzt, um ihn wegen Korruption anklagen zu lassen. Er soll sein Amt missbraucht haben, um sich zu bereichern und in der Provinz Chongqing wie ein Alleinherrscher zu regieren.

Doch anders als seine Frau akzeptiert Bo die Anklage nicht einfach. „Das stimmt so nicht“, nimmt er zu dem Vorwurf Stellung, der Geschäftsmann Tang Xiaolin habe ihn mit einem Millionenbetrag geschmiert. Richtig sei, dass er Opfer der Praktiken des Geschäftsmannes sei, der sich seinerseits bereichert habe. „Tang ist wie ein tollwütiger Hund, wie können Sie dem auch nur ein Wort glauben?“, sagt Bo.

Das Verfahren ist für chinesische Verhältnisse ungewöhnlich transparent

Auch seine eigenen schriftlichen Geständnisse wischt Bo als ungültig vom Tisch. Als er sie unterschrieben habe, sei er nicht klar im Kopf gewesen. „Damals war ich schwach und habe wider besseres Wissen getan, was von mir verlangt wurde“, behauptet er und blickt erst den Richter an und spricht dann in die Kamera weiter. Der Staatsanwalt wirkt angesichts dieser plötzlichen Wendung hilflos. „Sie lügen doch!“, blafft er den Angeklagten an. Die Abkehr von den üblichen Ritualen eines chinesischen Schauprozesses verwirrt die Beobachter. Es stehen mehrere Theorien im Raum, warum in Gerichtssaal Nummer fünf des Volksgerichts von Jinan plötzlich eine lebhafte Diskussion entbrennt. Die zynische chinesische Öffentlichkeit vermutet auch hier ein abgekartetes Spiel. „Bo darf einige Sprüche machen, damit der Eindruck eines transparenten und offenen Verfahrens entsteht“, sagt ein politischer Redakteur in Peking. „Doch am Ende stärkt das nur die Legitimation der Strafe für Bo.“ Da Bo im Volk viele Anhänger habe, müsse der Anschein der Fairness gewahrt bleiben, um ihn nicht zum Märtyrer zu machen. Andere Beobachter glauben, dass der Medienprofi Bo querschlägt, um ein letztes Mal einen seiner starken Auftritte auf großer Bühne hinlegen zu können. Die Voraussetzungen dafür wären gegeben, denn tatsächlich verläuft das Verfahren für chinesische Verhältnisse ungewöhnlich transparent. Der Gerichtssprecher aktualisiert laufend das Geschehen in einem Live-Ticker auf der Mikroblog-Seite des Volksgerichts. Er lädt auch Dokumente und Bilder in Echtzeit hoch.

Ob sich Bo aber mit der lockeren Körperhaltung, dem besserwisserischen Gesichtsausdruck und den coolen Sprüchen einen Gefallen tut? In Chinas kommunistisch geprägten Rechtssystem sind Selbstkritik und Demut wichtige Elemente der Verteidigung. Es könnte sein, dass Bo seinem Sohn nun mit der aufmüpfigen Haltung schadet. Gleich zu Beginn hat der Staatsanwalt bereits eine Warnung losgelassen. Er hat Bo Guagua als Empfänger von Bestechungsgeld genannt. Der 25-jährigen Sohn Bos lebt derzeit in den USA – und kann voraussichtlich nie wieder nach China zurückkehren, wenn er in den Strudel der Affären um seine Eltern gerät.

Finn Mayer-Kuckuk

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