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Aktivisten fordern auch vor dem Verbindungsbüro Chinas in der Sonderverwaltungszone Hongkong die Freilassung des Bürgermeisters von Wukan.

© dpa

China: Das Demokratie-Dorf rebelliert wieder

Das südchinesische Dorf Wukan schrieb mit den ersten direkten Wahlen im kommunistischen China Geschichte – nun protestieren seine Bewohner erneut.

Wir befinden uns im Jahr 2016 nach Christus. Ganz China ist eine kommunistische Diktatur. Ganz China? Nein! Ein von unbeugsamen Chinesen bevölkertes Dorf in der südchinesischen Provinz Guangdong hört nicht auf, der Kommunistischen Partei Widerstand zu leisten. Schon 2011 hatten es die Bewohner von Wukan nach wochenlangen Demonstrationen (ein Bewohner starb dabei in Polizeihaft) geschafft, den lokalen Behörden demokratische Wahlen abzutrotzen. Es waren die ersten direkten Wahlen in der Geschichte der Volksrepublik China, die ohne direkten Einfluss der kommunistischen Partei stattfanden. „Demokratie-Dorf“ ist Wukan seitdem oft genannt worden. In dieser Woche sind die Auseinandersetzungen zwischen den chinesischen Behörden und den Bewohnern des Dorfes allerdings erneut eskaliert.

Am Mittwoch hatten Sicherheitskräfte das Dorf östlich von Hongkong von der Außenwelt abgeschnitten. Journalisten und Dorfbewohner durften nach Informationen der Tageszeitung „South China Morning Post“ nicht mehr hinein, auch Nahrungsmittel konnten nicht mehr angeliefert werden.

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Sondereinsatzkommandos der Polizei patrouillierten in den Straßen. „Sie trugen Schilder und Helme und marschierten in Formation“, berichtet ein junger Bewohner Wukans der Zeitung, der ungenannt bleiben will, „viele von uns trauen sich nicht, auf die Straße zu gehen.“ Die Sondereinsatzkommandos durchsuchten Haus für Haus und nahmen 13 Menschen fest, die bei den Demonstrationen am Vortag dabei gewesen sind.

Bei diesen hatten rund 1000 Sicherheitskräfte mit Tränengas und Gummigeschossen auf die Demonstranten geschossen, die Protestierenden warfen Pflastersteine und andere Gegenstände. Einige Demonstranten trugen blutende Wunden von den Gummigeschossen davon. Eine Szenerie wie in einem Kriegsgebiet, beschrieb ein Anwohner der „South China Morning Post“. Die Demonstranten schwenkten chinesische Flaggen, um zu zeigen, dass sie gegen die lokalen Behörden protestieren – und nicht gegen die Zentralregierung.

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Hintergrund der nun schon fünf Jahre währenden Auseinandersetzungen in der Provinz Guangdong sind illegale Landbeschlagnahmungen durch lokale Behörden, wie sie überall in China üblich sind. Der lukrative Verkauf beschlagnahmten Landes an Immobilienentwickler und die damit verbundene Korruption zählt zu den wichtigsten Einnahmequellen kommunistischer Kader in China. Immer wieder protestieren im ganzen Land zahlreiche Menschen gegen illegale Zwangsräumungen und Landnahmen, nirgendwo aber ist der Konflikt derart eskaliert wie in Wukan.

Die jüngsten Proteste entzünden sich an der Verhaftung und der Verurteilung des beliebten, demokratisch gewählten Bürgermeisters Lin Zuluan. Dieser ist Anfang September in Foshan zu 37 Monaten Haft wegen Korruption verurteilt worden, zuvor hatte er im Fernsehen ein öffentliches Geständnis abgelegt. Ein Verwandter Lins nannte den Prozess „intransparent“, „unfair“ und „ungerecht“. Menschenrechtler erklären, das Geständnis sei erzwungen gewesen, der Prozess sei politisch motiviert gewesen. Lin hatte eine Rede geplant, um neue Proteste gegen weiterhin umstrittene Bauprojekte in seinem Dorf zu initiieren. Doch die Polizei ist ihm mit der Verhaftung zuvorgekommen. Nun fordern die Demonstranten in Wukan seine Freilassung.

Die Ereignisse unterstreichen, dass Demokratie im autoritären China auch auf lokaler Ebene kaum umzusetzen ist. Sobald die zumeist finanziellen Interessen übergeordneter Kader berührt werden, bleiben die vom Volk direkt Gewählten ohnmächtig. Eine Erkenntnis, die den meisten Chinesen verborgen bleiben dürfte. Das Wort „Wukan“ war am Mittwoch der am zweitmeisten zensierte Begriff im chinesischen Internet.

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