zum Hauptinhalt

China: Erschießung statt Dialog

China und die EU streiten weiter – diesmal über die Hinrichtung eines Forschers. Besonders die Umstände der Exekution sorgten für Streit.

Peking - Eigentlich sollte der gestrige Montag ein Tag des europäisch-chinesischen Schulterschlusses werden. Im französischen Lyon wollten beide Seiten auf höchster Ebene an einer gemeinsamen Strategie zur Bewältigung der Wirtschaftskrise arbeiten – immerhin gibt es in Europa und China zusammen 1,8 Milliarden Menschen, über zehntausend kooperierende Unternehmen und ein Handelsvolumen von gut 350 Milliarden Euro im Jahr. Doch nachdem Peking den Gipfel vergangene Woche im Streit über den Umgang mit dem Dalai Lama abgesagt hatte, beschäftigten sich die Diplomaten mit gegenseitigen Vorwürfen über Chinas Hinrichtungspraktiken.

Stein des Anstoßes ist die Hinrichtung des chinesischen Biotechnikers Wo Weihan am vergangenen Freitag. Der 60-Jähriger, der einst in Deutschland studierte und acht Jahre in Österreich arbeitete, soll Raketentechnik an den taiwanesischen Geheimdienst verkauft haben, was er allerdings stets bestritt. Noch mehr als die intransparenten Anklagepunkte sorgen die Umstände der Exekution für Streit: Ausgerechnet während eines in Peking stattfindenden europäisch-chinesischen Menschenrechtsdialog vollstreckten die Behörden in der gleichen Stadt das umstrittene Urteil. Der Familie wurde ein letzter Besuch bei dem Verurteilten verweigert. Zwar hatte das Pekinger Außenministerium auf Bitte der österreichischen Botschaft – Wos Töchter haben die österreichische Staatsbürgerschaft – ein Abschiedstreffen in Aussicht gestellt. Doch während die Familie noch einen Termin zu vereinbaren versuchte, wurde Wo bereits erschossen.

Sowohl die EU als auch die USA üben nun starke Kritik an Chinas Rechtspraktiken. In einer Erklärung der französischen Ratspräsidentschaft hieß es, die Umstände des Verfahrens und der Verurteilung seien „weit entfernt von internationalen Standards“. Pekings Außenministeriumssprecher Qin Gang wies die Kritik am Montag scharf zurück. Er sprach von einer „frechen Einmischung in Chinas Justiz, mit der auf dem Geist der Rechtsherrschaft herumgetrampelt und die Basis für eine gesunde Entwicklung für bi laterale Menschenrechtsgespräche unterwandert wird“. Das Urteil sei rechtskräftig, die Rechte des Verurteilten in angemessener Weise geschützt worden.

Jenseits der diplomatischen Scharmützel fragen sich westliche Politiker, ob der Fall eine Verhärtung der chinesischen Innenpolitik bedeute. Seit Monaten sind in Peking zunehmend schärfere Äußerungen zu hören, wonach China sich vor ausländischer Einmischung in Acht nehmen müsse. Antiwestliche Rhetorik hat der Regierung bereits mehrfach gute Dienste erwiesen, wenn sie interne Probleme kaschieren wollte. Bernhard Bartsch

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false