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Ma_Canrong

© Uwe Steinert

China und Tibet: ''Warum zeigen sie mit dem Finger immer auf uns?''

Chinas Botschafter über die Demonstrationen für Tibet, die Menschenrechte und Pekings Eindruck, unfair behandelt zu werden.

Die Menschen, die in Paris und San Francisco beim olympischen Fackellauf für die Freiheit der Tibeter demonstrierten, halten Sie die wirklich für „tibetische Saboteure“, wie ein Regierungssprecher in Peking sagte?

Das sind Separatisten, die diesen Anlass nutzen, um China unter Druck zu setzen. Ich halte das für falsch. Der Fackellauf soll doch den olympischen Geist für Verständigung und Frieden verbreiten.

Aber es haben auch viele Franzosen mitgemacht, in den USA sind es Amerikaner – gibt Ihnen das nicht zu denken?

Natürlich gibt es Sympathisanten, auch sie wollen eine Loslösung Tibets von China, obwohl sie die Geschichte Chinas gar nicht kennen. Mit diesen Protesten werden die Separatisten niemals ihr Ziel erreichen, eher das Gegenteil.

Wie erklären Sie sich die große Bereitschaft gegen China zu protestieren?

Es sind ja nur einige wenige, die große Mehrheit denkt doch gar nicht so.

Aber in allen westlichen Staaten wächst die Angst vor China und die Kritik an seiner Regierung.

Es gibt keinen Grund, Angst vor uns zu haben. Die Chinesen sind ausgesprochen friedliebend. Natürlich hat sich China enorm entwickelt. Früher lieferte nur Deutschland viel nach China, da hatte niemand Angst. Jetzt liefert China auch viel nach Deutschland und manche Leute fürchten, das könnte hier Arbeitsplätze kosten. Aber das stimmt nicht. In Wahrheit entstehen gerade bei den Unternehmen in Deutschland neue Arbeitsplätze, die auch in China investieren.

Sie glauben, die Verletzung der Menschenrechte in China werde deshalb jetzt mehr kritisiert, weil das Land so erfolgreich auf dem Weltmarkt ist?

Das weiß ich nicht. Aber sicher ist, dass es um die Menschenrechte in China nie besser stand als heute. Vor der Gründung des neuen China war das Land eine halb feudale, halb koloniale Gesellschaft und der Demütigung durch das Ausland ausgesetzt. Erst durch den Kampf der KP haben die Menschen überhaupt Recht erfahren. Zum Beispiel hätte damals niemand geglaubt, dass China den Hunger aus eigener Kraft überwinden würde. Heute ernähren wir mit sieben Prozent der Ackerlandfläche 22 Prozent der Weltbevölkerung. Dass China trotzdem manchmal schlecht angesehen ist, liegt vor allem an der verzerrten Berichterstattung vieler Medien. Das war ja jetzt in Lhasa auch wieder so.

Wie bitte?

Ja, dort haben einige Gewalttäter Verbrechen verübt, aber die westlichen Korrespondenten behaupteten, es handele sich um friedliche Demonstrationen. Dabei sind 18 Unschuldige getötet worden, Han-Chinesen und Tibeter sind bei den Bränden umgekommen. Solche Gewalt würde in keinem Land geduldet.

Chinas Wirtschaftskraft wird immer größer, übernimmt Ihre Regierung nun auch mehr Verantwortung in der Welt, zum Beispiel bei der Beilegung der Konflikte in Afrika oder in Nahost?

China ist noch immer ein Entwicklungsland, pro Kopf erwirtschaften wir gerade mal 2500 Dollar im Jahr, in Deutschland sind es fast 30 000. Wir müssen jedes Jahr für 20 Millionen Menschen Arbeitsplätze schaffen. China braucht noch mehrere Generationen, um so weit zu kommen wie Sie. Darum sind Chinas Möglichkeiten begrenzt, sich anderswo zu engagieren. Aber wir tun, was wir können.

Wo will Ihre Regierung den Schwerpunkt setzen?

Ziel der chinesischen Außenpolitik ist es, den Frieden in der Welt zu sichern.

Das sagen alle.

Aber wir tun das auch! Zum Beispiel helfen wir dabei, im Streit mit Nordkorea um dessen Atomprogramm eine friedliche Lösung zu finden. Unsere anderen asiatischen Nachbarn sehen uns jetzt auch nicht mehr als Bedrohung. Im Gegenteil, sie profitieren von unserer Entwicklung. Bis 2010 wollen wir in Südostasien eine Freihandelszone schaffen – mit solchen Projekten fördern wir die gemeinsame Entwicklung im ganzen asiatischen Raum.

In Afrika wird der chinesischen Regierung vorgeworfen, sie liefere die Waffen an Regierungsmilizen, mit denen dann die Vertreibung in Darfur organisiert wird.

Das ist nicht wahr. China hält das UN-Waffenembargo für Darfur ein. Sudans Regierung hat China auch zugesagt, die aus China importierten Waffen, die nur einen kleinen Teil des sudanesischen Waffenimports ausmachen, nicht im Darfur-Gebiet einzusetzen. Übrigens: Wir haben schon vor Jahrzehnten Landwirtschaftsexperten, Ärzte oder Bauarbeiter nach Afrika geschickt. Aber erst, wenn es dabei um Erdöl oder andere Rohstoffe geht, interessieren sich die westlichen Industriestaaten dafür. Das ist nicht fair. China verfolgt in der Außenpolitik das Prinzip der Nichteinmischung. Das heißt eben auch, dass wir Entwicklungshilfe und Zusammenarbeit anbieten, ohne politische Auflagen zu machen. Das unterscheidet uns tatsächlich vom Westen. Der Weg eines Landes sollte von der Bevölkerung selbst gewählt und nicht von außen aufgezwungen werden.

China wird im Darfurkonflikt oft eine Blockadehaltung vorgeworfen. Hat sich ihre Politik dort geändert?

Wir beteiligen uns aktiv an der Suche nach einer friedlichen Lösung, das haben auch die US- und die deutsche Regierung anerkannt. Aber in Darfur streiten die Stämme um Land, Wasser und Öl. Da kann man von außen nicht einfach radikal eingreifen. Machen wir ständig weiter Druck, erreichen wir eher weniger.

Dann könnte man ja auch die Waffenlieferungen einstellen.

Warum zeigen sie mit dem Finger immer auf China? Es gibt genügend andere Staaten, die viel mehr Waffen verkaufen. Wir fühlen uns nicht fair behandelt.

Das Gespräch führten Ruth Ciesinger und Harald Schumann.

Ma Canrong ist seit 2002 Chinas Botschafter in Berlin. Der Diplomat kennt Deutschland gut, von 1973 bis 1981 arbeitete er zum ersten Mal an der Botschaft in der Bundesrepublik.

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