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Politik: Chirac will nicht mit Schüssel aufs Familienfoto

Es soll eigentlich der "Beschäftigungsgipfel" des Jahrhunderts werden. Doch auf dem Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs in Lissabon wird, wenn auch ungeschrieben, der Rechtsruck Österreichs auf der Tagesordnung stehen.

Es soll eigentlich der "Beschäftigungsgipfel" des Jahrhunderts werden. Doch auf dem Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs in Lissabon wird, wenn auch ungeschrieben, der Rechtsruck Österreichs auf der Tagesordnung stehen. Der konservative Bundeskanzler der Alpenrepublik, Wolfgang Schüssel, will sein erstes Treffen mit den 14 EU-Kollegen nutzen, um die frostigen Beziehungen zur Europäischen Union (EU) aufzutauen. Mit wenig Aussicht auf Erfolg: Der EU-Ratsvorsitzende, Portugals Premier António Guterres, denkt nicht daran, die EU-Sanktionen gegen Österreich zu lockern.

Zugleich bemüht sich Guterres, die Bedeutung des über allem schwebenden Falles Österreich herunterzuspielen. Schließlich hat der portugiesische Sozialist lange daran gebastelt, auf dem Gipfel mit dem sperrigen Titel "Arbeit, wirtschaftliche Reformen und sozialer Zusammenhalt" den Grundstein für die Vollbeschäftigung in der EU zu zementieren. "Der Fall Österreich wird sich vor keines dieser Themen schieben", beschwört Guterres. Ein frommer Wunsch. Guterres, zusammen mit Spaniens konservativem Premier José María Aznar einer der Väter der diplomatischen Sanktionen, wird die Geister, die er rief, so schnell nicht los.

Der EU-Ratspräsident, zugleich Chef der Sozialistischen Internationalen, wird eine interne Diskussion zu dem heißen Thema nicht vermeiden können. Weil es inzwischen auch kritische Stimmen über die Haltbarkeit der Anti-Österreich-Position gibt - von Italien und Finnland. Und weil Österreichs Bundeskanzler Schüssel das Abendessen der Staats- und Regierungschefs nutzen wird, um das "proeuropäische Programm" seiner Regierung, in der seine Volkspartei (ÖVP) mit der ultrarechten Freiheitlichen Partei (FPÖ) eine Koalition einging, zu unterstreichen. "Der Gipfel ist für uns wichtig, weil wir den Beginn der Normalisierung erwarten", sagt Schüssel.

Guterres will hinter verschlossenen Türen erneut die EU-Haltung bekräftigen: "Wir können diese Regierung nicht als Freund betrachten, obwohl wir mit ihr in den europäischen Institutionen zusammenarbeiten müssen." Auch andere entschiedene Österreich-Gegner wie Frankreich, Belgien und Spanien werden Schüssels Liebeswerbung nicht unwidersprochen lassen. Im Februar hatten 14 EU-Mitglieder als Reaktion auf die österreichische Rechtskoalition die politischen Kontakte mit Österreich eingefroren.

Eine Normalisierung, sagt Guterres, komme nur in Betracht, wenn Schüssels Volkspartei mit der FPÖ breche. Oder wenn sich die "extremistische Natur" dieser von Jörg Haider gesteuerten Partei ändere. Für internationale Empörung sorgen Haiders rechte Sprüche, in denen er etwa die Verbrechen der deutschen Nazis verharmlost oder feindselige Stimmungen gegen Ausländer schürt. Zum Eklat kam es auch, als Haider Frankreichs Präsidenten Jacques Chirac als "Westentaschen-Napoleon" beschimpfte.

Man darf gespannt sein, ob Chirac Schüssel zur Begrüßung in Lissabon die Hand reicht. Beim traditionellen Familienfoto der Staats- und Regierungschefs will Chirac nicht dabei sein. Genausowenig wie Frankreichs und Belgiens sozialdemokratische Regierungschefs Lionel Jospin und Guy Verhofstadt. Die portugiesische Ratspräsidentschaft will aber an dem Fototermin festhalten. Auf diesem protokollarischem Niveau dürfte es auf dem Gipfel zu weiteren Peinlichkeiten kommen. Bei den bisherigen EU-Ratstreffen vermieden es etliche Mitglieder, etwa durch bewusstes Zuspätkommen, Österreichs Delegation begrüßen zu müssen. Auf inhaltlicher Ebene werden jedoch keine Schwierigkeiten erwartet.

Negative Auswirkungen hatte der Fall Österreich bereits auf das Treffen der konservativen Parteichefs, die sich traditionell am Vorabend eines jeden EU-Gipfels versammeln. Die Tagung der Europäischen Volkspartei (EVP) wurde abgesagt, weil man sich nicht über eine einheitliche Haltung zum Ausschluss der ÖVP einigen konnte. Auch hatte sich Spaniens Ministerpräsident Aznar geweigert, mit ÖVP-Chef Schüssel auf der Konservativen-Versammlung zusammenzukommen. Ein Treffen ohne Aznar, nach seinem triumphalen Wahlsieg in Spanien Galionsfigur der Europäischen Konservativen, wäre "sinnlos" gewesen, heißt es.

Ralph Schulze

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