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Politik: Chiracs stolzes Schweigen

Die USA haben auch Frankreich zur Mitarbeit an der Irak-Resolution aufgefordert – doch Paris hält sich noch zurück

Monatelang galt Frankreich als Sündenbock für die gescheiterte UN-Resolution vor dem Irak-Krieg und wurde von den USA als abtrünniger Freund gemieden. Französische Weine landeten in amerikanischen Abwassergullis, Camemberts und Trüffelpastete wurden von den Speisekarten genommen. Nun könnte man meinen, die Franzosen zeigen es den Amerikanern. Aber es bleibt sehr still. Kein offen zur Schau gestellter Triumph angesichts der von Paris vorausgesagten Schwierigkeiten, mit denen die Amerikaner im Irak jetzt tatsächlich konfrontiert sind, noch nicht einmal Anzeichen von leiser Schadenfreude. Stolzes Schweigen indessen. Konkrete Antworten auf das Angebot von US-Präsident George W. Bush, eine neue UN-Resolution mitzugestalten und Änderungswünsche vorzutragen, gab es aus Paris nicht.

Auch wenn es Frankreichs Außenminister Dominique de Villepin in seinem jüngsten Interview mit „Le Figaro“ vermied, konkret darauf einzugehen, ist deutlich spürbar, dass die französische Diplomatie nicht bereit ist, nach dem Irak-Debakel im derzeitigen Chaos den Feuerwehrmann zu spielen. Dies hatte ein Sprecher des Außenministeriums schon vor der Sommerpause betont.

Klar sind bislang nur zwei Punkte, die eigentlich immer schon klar waren, auch vor dem Krieg: Erstens will Frankreich den USA nicht die Weltvorherrschaft überlassen. US-Unilateralismus und die amerikanische Rolle des Weltpolizisten waren den Franzosen immer schon verhasst. Zweitens will Frankreich seinen historisch begründeten Einfluss im Irak behalten und beim Wiederaufbau mit dabei sein. Deutliche Vorgaben an die Amerikaner also: Wir sind zur Kooperation bereit, trotz jüngster Spannungen, aber nur unter klaren Bedingungen. Dazu gehört ein UN-Mandat, mit eindeutig festgelegten Kompetenzen für die beteiligten Länder und deren Gleichberechtigung. Was Paris ablehnt, wäre eine Vormachtstellung für die amerikanisch-britische Koalition und die kleineren im Nachkriegs-Irak operierenden Länder, wie sie sich die US-Regierung vorstellt.

Hinzu kommt, dass Frankreich dem geschundenen Land schneller seine Souveränität zurückgeben will, unter dem Schutz der Vereinten Nationen – einschließlich eines festgelegten Zeitplans für Wahlen noch vor Jahresende. „Keine Kompromisse oder halbe Lösungen“, machte de Villepin deutlich. Die Richtung der Amerikaner sei richtig, man brauche aber eine andere Logik, weg von der Besatzungssituation, hin zur Selbstverwaltung. Schnell haben sich Deutschland vollständig und Russland überwiegend dieser Auffassung angeschlossen.

Das Wie ist noch völlig offen. Leicht könnten die USA, aber auch die Länder des „neuen“ Europa, Frankreich und Deutschland wieder unterstellen, das trotzige, antiamerikanische Enfant terrible spielen zu wollen. Leicht könnte sich die EU an der Frage noch einmal spalten wie schon Anfang des Jahres, als es um die Unterstützung der USA bei den militärischen Aktionen ging. Fast sibyllinisch munkelte „Le Figaro“ in seiner Wochenendausgabe, man sei bereits auf dem Weg zu einem „neuen Brief der acht“, der berühmten Solidaritätsadresse, mit der sich Spanien, Italien, Großbritannien, Portugal, Dänemark, Polen, Ungarn und Tschechien Ende Januar hinter dem Rücken Deutschlands und Frankreichs als Unterstützer der amerikanischen Kriegspolitik outeten.

Auch Frankreich selbst könnte aus den neuen Irak-Diskussionen nicht ohne neue Anfeindungen hervorgehen. Immer wieder wird den Franzosen unterstellt, mit ihrem intensiven Irak-Engagement lediglich ureigenen, traditionell begründeten Machtinteressen zu folgen, im Nahen Osten strategisch und im Irak auf wirtschaftlichem Gebiet. Paris hat also etliche Gründe, länger als gewöhnlich zu schweigen und konkrete Vorschläge zu einer Zusammenarbeit mit den Amerikanern im Irak feinstens abzustimmen.

Sabine Heimgärtner[Paris]

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