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Ex-Bundespräsident Christian Wulff nach seinem Freispruch.

© dpa

Christian Wulff stellt Buch "Ganz oben Ganz unten" vor: Der Fall des Bundespräsidenten

Als Christian Wulff Anfang 2012 vom Amt des Bundespräsidenten zurücktrat, zeigte er sich sicher, dass alle gegen ihn erhobenen Anschuldigungen und Vorwürfe im Nichts verschwinden werden. Heute kommt sein Buch heraus - "Ganz oben Ganz unten".

Von Antje Sirleschtov

Als Christian Wulff Anfang 2012 vom Amt des Bundespräsidenten zurücktrat, zeigte er sich sicher, dass alle gegen ihn erhobenen Anschuldigungen und Vorwürfe im Nichts verschwinden werden. Vorteilsnahme im Amt, diverse Beschuldigungen der Annahme von Geschenken von Unternehmern: Die Liste der Anschuldigungen gegen den damals jüngsten Präsidenten Deutschlands war lang. Seitdem hat Wulff einen monatelangen zermürbenden Gerichtsstreit mit der Staatsanwaltschaft Hannover hinter sich gebracht, musste sich in der Öffentlichkeit dafür beschimpfen lassen, weil er, wie alle Bundespräsidenten vor ihm, einen sechsstelligen Ehrensold aus der Staatskasse erhält und am Ende erleben, dass eine rechtliche Rehabilitierung - Wulff wurde am Ende freigesprochen - eine gesellschaftliche Rehabilitierung noch lang nicht nach sich ziehen muss.

Kein Vorabdruck, keine Vorabinterviews

Nun will Christian Wulff diesen Teil seiner Nach-Präsidentenzeit selbst erledigen. Am heutigen Dienstag stellt er in Berlin sein Buch "Ganz oben Ganz unten" vor, in dem er seine persönliche Sicht auf die Ereignisse seit seinem Amtsantritt im Schloss Bellevue bis hin zum Gerichtsprozess aufgeschrieben hat. Missverständnisse, Demütigungen und unangemessene Kampagnen der Medien gegen ihn: Öffentlich hat sich Wulff über seine Sicht der Ereignisse des Spätjahres 2011 und des Jahres 2012 bisher nie geäußert. Wer ihn und sein Umfeld jedoch befragte, konnte in den Antworten lesen, dass sich der Politiker Wulff zutiefst ungerecht behandelt fühlte. Ganz anders, als das sonst der Fall ist, wenn ehemalige Politiker Bücher schreiben, haben Wulff und sein Verlag H.C. Beck dennoch keine exklusiven Verträge mit Medien zum Vorabdruck des Buches geschlossen und keine Vorabinterviews des Autors zugelassen. So etwas tut man normalerweise nur, wenn man die Deutungshoheit über ein Buch so lange wie möglich bei sich behalten möchte.

Voraussichtlich am Donnerstag wird die Staatsanwaltschaft Hannover bekannt geben, ob sie an ihrem Revisionsbegehren gegen Wulffs Freiswpruch überhaupt festhalten will. Der ehemalige Bundespräsident rechnet offenbar nicht damit. Er wäre dann endgültig juristisch frei von Vorwürfen.

Und die gesellschaftliche Rehabilitierung? Es ist nicht zu erwarten, dass die Deutschen ihrem Ex-Präsidenten so rasch mit Wohlwollen und Verständnis entgegentreten werden. Zu mannigfaltig und zu detailliert wurde von den Medien vor zwei Jahren jedes Einzelteil seines Lebens an die Öffentlichkeit gezerrt. Von Krediten für ein Haus, deren Zinsen für Normalbürger unerreichbar niedrig waren, bis hin zu Luxusurlauben für Wulff und seine damalige Frau Bettina reichten die Schilderungen eines Lebens, in dem viele Menschen ihre schlimmsten Befürchtungen über die Selbstbedienungsmentalität der Politiker bestätigt sahen.

Ein anständiger Schwiegersohn-Typ

Wulff war es im Amt des niedersächsischen CDU-Ministerpräsidenten zuvor erstaunlich gut gelungen, sich als fürsorglicher, verantwortungsvoller und menschlicher Landesvater zu präsentieren. Kurzum: Ein anständiger Schwiegersohn-Typ, dem die Menschen nicht einmal die Scheidung von seiner ersten Frau wegen der viel jüngeren Bettina krumm nahmen.

Als im Winter 2011 dann, Wulff war inzwischen Bundespräsident und lebte mit seiner jungen Familie in Berlin, ausgerechnet die "Bild"-Zeitung besonders intensiv über Wulffs Privatleben und seine privaten Finanzen berichtete, da fühlten sich viele an den Satz erinnert: Mit "Bild" fährt man im Fahrstuhl hoch, aber auch wieder herunter. Dass am Sturz des Bundespräsidenten aber nicht nur Boulevardmedien beteiligt waren und aufmerksame Medienbeobachter zeitweilig den Eindruck hatten, die Medien insgesamt hatten sich zum Sturz des Staatsoberhauptes verschworen und nutzten dazu jedes Mittel - unter anderem auch hysterische Berichte über die Herkunft des Bobbycars der Wulff-Kinder – hat später auch zu zahlreicher Selbstkritik der Medien geführt. Nur wenige Wochen hatte die Auseinandersetzung seinerzeit insgesamt gedauert, und Wulff hat in ihr viele Fehler gemacht. Aber herausgekommen ist aus dieser Zeit kein Beteiligter ohne Ansehensverlust.
Christian Wulff arbeitet inzwischen wieder als Anwalt, setzt sich für junge Deutsche mit Migrationshintergrund ein und ist auch als Redner und Berater gefragt. An seine politische Karriere wird er allerdings nicht anknüpfen können, dazu fehlt ihm das Vertrauen. Und das kommt auch mit späten Büchern nicht zurück, wie das Beispiel des Ex-Politikers Karl Theodor zu Guttenberg lehrt.

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