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Chronik der Plagiate: Auch Putin hat abgeschrieben

Karl-Theodor zu Guttenberg ist nicht der erste, der sich gegen Plagiatsvorwürfe wehren muss. Es traf schon Stefan Raab, die FDP und den russischen Premierminister.

1988

Der heutige US-Vizepräsident Joe Biden zog seine Bewerbung um die Präsidentschaft zurück, nachdem herauskam, dass er Passagen aus einer Rede des damaligen britischen Labour-Party-Vorsitzenden Neil Kinnockplagiiert hatte.

1993

Im Sommer 1993 lud die FDP in Berlin zu einer Veranstaltung unter dem Titel "Wir können auch anders". Das wurde ihr von Detlev Buck, Regisseur des gleichnamigen Films, untersagt.

1999

Um das Entwenden eines Filmtitels ging es auch in der Jogging-Kampagne von Eberhard Diepgen. Mit dem Slogan „Diepgen rennt“ gelang ihm im Wahlkampf 1999 ein echter Coup und am Ende die Rückkehr ins Amt des Regierenden Bürgermeisters; auch wenn Tom Tykwer, Regisseur des Films „Lola rennt“, und dessen Produktionsfirma X-Filme eine einstweilige Verfügung erwirkten.

2000

Bei Stefan Raabs Song "Wadde hadde dudde da" waren Kritikern große Ähnlichkeiten zu einem Lied der Spice Girls und einer US-Band aufgefallen. Es wurde dennoch als deutscher Beitrag für das Finale des Schlager-Grand-Prix in Stockholm zugelassen.

Ana Rosa Quintana, Moderatorin einer beliebten Sendung im spanischen Privatfernsehen, hat für ihr literarisches Debüt "Sabor a hiel" ("Bitterer Geschmack") mit über 100 000 verkauften Exemplaren Anleihen aus dem Roman "Familienalbum" der US-Bestsellerautorin Danielle Steel genommen. Ihre Ausrede ist bemerkenswert: Mangelhaften Computerkenntnisse hätten dazu geführt, dass sie versehentlich fremde Passagen eingefügt habe, die sich auf ihrer Festplatte befanden. Erstaunlicherweise hatte der "magische" Computer allerdings die Namen der Protagonisten ausgetauscht.

2006

Der US-Ökonom Clifford Gaddy entdeckt, dass Wladimir Putin bei seiner Doktorarbeit von 1996 (1997 veröffentlicht) gemogelt hat. Das zentrale Kapitel von "Strategisches Planen bei der Nutzung der Rohstoffbasis einer Region in Zeiten der Entstehung von Marktmechanismen (St. Petersburg und Leningrader Gebiet)" hat der damals 44-Jährige aus der russischen Übersetzung eines amerikanischen Lehrbuchs (King/Cleveland: Strategic Planning and Policy) abgeschrieben, fast Wort für Wort. Mehrere Illustrationen hat er gleich mit kopiert, ohne die wahre Quelle anzugeben.

2007

Hans-Peter Schwintowski, Jura-Professor an der FU, hat in seiner "Juristischen Methodenlehre" für Erstsemester von 2005 seitenweise von Fachkollegen und fachfremden Wissenschaftlern abgekupfert, ohne diese Passagen als Zitate zu kennzeichnen. Ausgeschlachtet wurden Werke u.a. des Hirnforschers Wolf Singer und des Bundesverfassungsrichters Wolfgang Hoffmann-Riem. Der Fall wurde im Februar 2007 in einem Beitrag der Fachzeitschrift "Kritische Justiz" öffentlich, derselben Zeitschrift, die nun als erste die Vorwürfe gegen Karl-Theodor zu Guttenberg erhob.

Die Dissertation des österreichischen Wissenschaftsministers Johannes Hahn ist kein Plagiat. Gutachter aus Zürich kamen zu dem Ergebnis, dass Hahn zwar etwas schlampig zitiert habe, aber den eigentlichen Ideengeber nicht verschleiern wollte.

Die Schriftstellerin Andrea Maria Schenkel soll für ihren Erstlings-Krimi "Tannöd", ein Überraschungsbestseller, die Sachbücher von Peter Leuschner über den realen sechsfachen Mordfall in einer bayerischen Einöde im Jahr 1922 ausgeplündert haben. 2009 hat das Oberlandesgericht München in zweiter Instanz die Plagiatsklage von Leuschner allerdings abgewiesen.

2010

Die 17-jährige Helene Hegemann debütierte mit dem Bestseller "Axolotl Roadkill". E-Mails, Zitate aus Songtexten, Briefe und Tagebuchartiges sind Formen, die Hegemann in dieser rauschartigen Erzählung verwendet. Sie soll dabei von dem pseudonymen Berliner Bloggers Airen geklaut haben. Erst seit der zweiten Auflage des Buches wird Airen in der Danksagung erwähnt. Helene Hegemenanns Verteidigungsstrategie ist Wegdefinieren des Problems: "Originalität gibt’s sowieso nicht, nur Echtheit. (…) Von mir selber ist überhaupt nichts, ich selbst bin schon nicht von mir. Dieser Satz ist übrigens von Sophie Rois geklaut.“

Das Landgericht Hamburg verurteilt den Berliner Rapper Bushido wegen Urheberrechtsverletzungen zur Zahlung von 63 000 Euro Schadensersatz. In 13 Songs stellte das Gericht die rechtswidrige Übernahme von geschützten Tonfolgen fest. Das heißt: Die insgesamt elf Alben, Singles und Sampler, auf denen sich Stücke mit geklautem Material befinden, müssen aus dem Verkauf genommen werden.

Thomas Friederich

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