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Die US-amerikanische Außenministerin Hilary Clinton hat sich mit dem türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan in Istanbul getroffen.

© AFP

Update

Clinton in Istanbul: USA und Türkei planen für Syrien-Intervention

Nach den alarmierenden Nachrichten aus dem syrisch-jordanischen Grenzgebiet, erwägen die USA und die Türkei eine Flugverbotszone. Der Bundesnachrichtendienst sieht Assads Herrschaft vor dem Ende.

Die USA und die Türkei beginnen mit der gemeinsamen Planung für eine mögliche Intervention in Syrien. Außenministerin Hillary Clinton und ihr türkischer Amtskollege Ahmet Davutoglu vereinbarten am Samstag in Istanbul die Einrichtung einer Arbeitsgruppe. Ihr sollen Vertreter der Außenministerien beider Länder, aber auch Geheimdienstler und Militärs angehören. Clinton sagte nach ihrem Treffen mit Davutoglu vor Journalisten, die Einrichtung von Schutzzonen für Flüchtlinge auf syrischem Gebiet und eine Flugverbotszone gehörten zu den Themen, die besprochen werden sollten. Clinton traf am Samstag auch den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Eine von der Nato durchgesetzte Flugverbotszone hatte im vorigen Jahr den libyschen Rebellen geholfen. Ein solcher Schritt würde aber ein offenes Eingreifen von Streitkräften bedeuten, die der Westen in Syrien bisher zu vermeiden versucht hat. Zudem könnte dies Spannungen mit Russland und China hervorrufen, die UN-Sanktionen gegen Assad verhindert haben.

Die Türkei arbeitet seit Monaten an Plänen für eine Militärintervention im südlichen Nachbarland. Ziel der Kooperation mit den USA sei es, „auf alle schlimmen Szenarien“ vorbereitet zu sein, sagte Davutoglu. Der türkische Außenminister bekräftigte, neben einem Chemiewaffeneinsatz könnten auch ein ansteigender Flüchtlingsstrom aus Syrien sowie eine terroristische Bedrohung der Türkei durch PKK-Stützpunkte in Nord-Syrien eine grenzüberschreitende Aktion auslösen.

Mit der Bildung der Arbeitsgruppe mit den USA machte Davutoglu aber deutlich, dass die Türkei eine solche Operation nicht im Alleingang starten will. Clinton unterstrich, die USA unterstützten die Türkei im Kampf gegen die PKK und würden es nicht zulassen, dass sich die kurdischen Rebellen oder militante Islamisten von Al Qaida im Norden Syriens festsetzen könnten.

Der Konflikt in Syrien löst eine Flüchtlingskatastrophe aus:

Seit Ausbruch der Kämpfe sind bisher rund 55 000 Syrer in die Türkei geflohen, wo sie in Auffanglagern untergebracht werden. In den vergangenen Tagen hatte sich die Zahl der Neuankömmlinge wegen der Gefechte in Aleppo stark erhöht; sie liegt laut Davutoglu derzeit zwischen 1000 und 2000 pro Tag.

Mit der Bekanntgabe einer intensivierten „Operationsplanung“, wie Clinton es nannte, reagieren die USA und die Türkei auch auf Klagen der syrischen Opposition über eine mangelnde Unterstützung durch die Assad-Gegner im Westen. Clinton traf sich in Istanbul mit syrischen Flüchtlingen und Regimegegnern aus Syrien selbst; einer ihrer Gesprächspartner sei für das Treffen aus dem umkämpften Aleppo angereist und wolle auch wieder dorthin zurückkehren, sagte die US-Außenministerin. Sie traf aber keine bewaffneten Kämpfer.

Clinton deutete an, dass ein von den syrischen Aufständischen eroberter Gebietsstreifen zwischen Aleppo und der türkischen Grenze in eine Sicherheitszone umgewandelt werden könnte. „Man kann über alle möglichen Aktionen reden, aber ohne intensive Analyse und Operationsplanung kann man keine verantwortlichen Entscheidungen treffen“, sagte Clinton dazu.

Die Lage in Syrien hat sich in den letzten Tagen weiter zugespitzt - auch an der Grenze zum Nachbarland.

Nach Kämpfen zwischen syrischen und jordanischen Truppen wächst die Furcht vor einem Übergreifen des Bürgerkrieges in Syrien auf Nachbarländer. Soldaten beider Staaten lieferten sich in der Nacht zum Samstag ein Gefecht im Grenzgebiet. Es war der schwerste Kampf zwischen den Ländern seit Beginn des Aufstandes gegen den syrischen Staatschef Baschar al-Assad im vergangenen Jahr. In der Millionenstadt Aleppo wurde unterdessen weiter gekämpft. Auch in der Hauptstadt Damaskus kam es wieder zu Schießereien.

Die Auseinandersetzungen in der Region Tel Schihab-Turra begannen nach Angaben aus der syrischen Opposition am späten Freitagabend, als syrische Truppen auf Flüchtlinge schossen, die die Grenze nach Jordanien überqueren wollten. Dabei seien auch gepanzerte Fahrzeuge eingesetzt worden. Von jordanischer Seite wurde das Gefecht bestätigt.

Zwar haben jordanische Soldaten schon auf syrische Truppen gefeuert, um den Beschuss von Flüchtlingen zu stoppen. Doch war dies der bislang schwerste Zwischenfall an der Grenze seit Beginn des Konfliktes, der sich zu einem Bürgerkrieg ausgeweitet hat. Der Abschuss eines türkischen Militärjets durch die syrische Luftabwehr im Juni und der Beschuss libanesischer Dörfer durch Assad-Truppen schürten bereits die Furcht vor einer Ausbreitung des Konflikts in der ohnehin an Spannungen reichen Region. Seit Beginn des Aufstandes haben nach Angaben der Vereinten Nationen 150.000 offiziell registrierte Flüchtlinge Schutz in der Türkei, Jordanien, im Libanon oder im Irak gesucht.

In Aleppo setzten Regierungstruppen den Vormarsch gegen die Rebellen fort, die ihnen an Zahl und Feuerkraft unterlegen sind. Anführer der Aufständischen klagten über einen Mangel an Waffen und Munition. Die Lager von Waffenhändlern seien so gut wie ausverkauft, die Preise für Munition seien in den vergangenen zwei Tagen um 70 Prozent gestiegen. Auch in Damaskus flammten die Kämpfe auf, wie Bewohner und das Staatsfernsehen berichteten. In der Nähe der Zentralbank habe es eine heftige Explosion gegeben.

Video: Brahimi bald neuer Syrien-Beauftragter

Die Außenminister arabischer Staaten werden einer Meldung des amtlichen ägyptischen Fernsehens zufolge am Sonntag über den Syrien-Konflikt beraten. Bei dem Treffen im saudiarabischen Dschidda werde auch über den künftigen Syrien-Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga gesprochen, hieß es. Für das Amt ist Diplomaten zufolge der frühere algerische Außenminister Lakhdar Brahimi im Gespräch. Brahimi appellierte an die internationale Gemeinschaft, ihre Differenzen so schnell wie möglich zu überwinden. “Millionen Syrier rufen nach Frieden.“

Die Tage der Assad-Herrschaft sind nach Einschätzung des Bundesnachrichtendienstes möglicherweise gezählt. “Es gibt viele Anhaltspunkte dafür, dass die Endphase des Regimes begonnen hat“, sagte BND-Chef Gerhard Schindler der Zeitung “Die Welt“ (Samstagausgabe). Assads Armee habe rund 50.000 ihrer einst 320.000 Soldaten verloren. Darunter seien viele Verwundete, Deserteure und 2000 bis 3000 Überläufer zur militanten Opposition, die nach BND-Erkenntnissen aus rund 20.000 Kämpfern besteht. “Die Erosion des Militärs hält an.“ (mit rtr)

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